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Guter Nebeneffekt

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Martin Grill, Stockholm, über die Kriegserklärung der bürgerlichen Opposition gegen Olof Palme

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Martin Grill, Stockholm, über die Kriegserklärung der bürgerlichen Opposition gegen Olof Palme

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Die Hoffnungen, die ein Teil der Sozialdemokraten auf die liberale Volkspartei gesetzt hatte, haben sich nicht erfüllt. Parteiführer Helen erklärte, daß er nicht daran denke, seine Partei in eine Koalition mit den Sozialdemokraten zu führen. Olof Palme konterte nach einer Konferenz der sozialdemokratischen Parteileitung in Luleä mit der Feststellung, daß alle Spekulationen über die Bildung einer Koalition mit der Volkspartei oder einer anderen Form der Zusammenarbeit völlig abwegig und „unrealistisch“ seien. Niemand in seiner Partei wünsche vorzeitige Neuwahlen, doch wenn die Opposition eine Konfrontationspolitik um jeden Preis führen wolle, sei er bereit, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Es zeigt sich jedenfalls, daß eine Regierung bei einem Kräfteverhältnis von 175 zu 175 im Parlament nicht so arbeiten kann, wie es das härter werdende wirtschaftliche Klima verlangt.

Eine Hauptforderung der Opposition ist die zeitweise Abschaffung der hohen Verbrauchersteuern auf Lebensmittel, die als sehr unsozial empfunden werden, auf die jedoch gerade der sozialdemokratische Finanzminister Sträng unter keinen Umständen verzichten will. Die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ist jedoch auch eine alte Forderung der Kommunisten, mit deren Stimmenhilfe im Parlament also die Regierung in dieser Frage nicht rechnen kann. Schon eine Kampfabstimmung über diese Steuer müßte die Regierung Palme zu Fall bringen.

Eine Steuerverminderung (auch die Vermint ->rung der Lohnsteuer wird von der Opposition verlangt) bedeutet jedoch verminderte Einkünfte für die Staatskasse in einer Zeit, da man mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 110.000 Personen rechnet, da man für Notstandsarbeiten und Umschulungen von Arbeitslosen zwischen drei und vier Milliarden Kronen wird ausgeben müssen und da die Erhöhung der ölpreise Mehrausgaben von mindestens fünf Milliarden Kronen verursachen wird.

Zenterparteiführer Fälldin, von dem man seit der für seine Partei so überaus erfolgreich verlaufenen Wahl im vergangenen Herbst wenig gehört hat, ist nun ganz auf die Linie der Konservativen, die Erzwingung von Neuwahlen, eingeschwenkt. Die Konservativen verlangen die Herabsetzung — oder zeitweise Abschaffung — der Mehrwertsteuer, die Verminderung der Einkommensteuer und der Lohnsteuer der Arbeitgeber, Forderungen, die im Parlament zu Kampfabstitnmungen und einer eventuellen Entscheidung durch das Los führen müssen.

„Wir werden im Parlament kompromißlos unsere Politik gegen die Regierung Palme durchsetzen“, sagte der Parteiführer der Konservativen, Gösta Bohman, „und wenn wir dadurch die Regierung zum Abgang zwingen, so ist das nur ein 'guter Nebeneffekt!“

Bei allen diesen Auseinandersetzungen um Steuerfragen und Kongunkturförderung ist aber unverkennbar, daß für die überaus aktiv gewordenen Konservativen, zum Teil jedoch auch für die langsam, doch ständig nach rechts schreitende Zenterpartei, die Stellung der Monarchie und des jetzigen Monarchen im Staate eine große Rolle spielt. Die im Vorjahr vom vorigen Parlament angenommene Verfassungsreform muß vom jetzigen Parlament angenommen werden, wenn sie in Kraft treten soll. Es ist jedoch gar nicht so sicher, daß dieses in seiner Zusammensetzung so stark veränderte Parlament diese Reform annehmen wird. Jedenfalls wirken heute starke Kräfte dafür, das Wesen der überparteilichen Funktion des Monarchen zu bewahren.

Daß es sich bei der Kampagne um die Bewahrung, vielleicht sogar Stärkung der Monarchie nicht um eine zufällige Erscheinung handelt, beweist ein soeben von der Partei der Konservativen eingebrachter Antrag auf eine Verfassungsänderung, die eine weibliche Thronfolge (wie in Dänemark) möglich machen solL Schon vor einigen Jahren, als es noch unsicher schien, ab der damalige Kronprinz (der jetzige König Carl XVI. Gustav) die Rolle des Staatschefs werde übernehmen können, erhoben sich Stimmen für eine Gleichstellung der männlichen und weiblichen Mitglieder des Königshauses. Teile der sozialdemokratischen Partei waren geneigt, einer solchen Änderung zuzustimmen. Dies bedeutete keine herabsetzende Kritik an der Person Carl Gustavs, sondern war eben nur die damals allgemein verbreitete Meinung, wonach sich Schweden dem in Dänemark und Holland geltenden Recht anpassen sollte.

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