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OLOF PALME / DER „KRONPRINZ” WURDE REGIERUNGSMITGLIED

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In Stockholm ist es vor kurzem in aller Stille zu einer bedeutsamen Änderung in der Zusammensetzung der Regierung gekommen: Über Vorschlag des Staatsministers hat der eben zurückgekehrte König einen der engsten Mitarbeiter Erlanders, das Mitglied der Ersten Kammer und den Bürochef eines Regierungsausschusses, Olof Palme, zum konsultativen Staatsrat ernannt. Gleichzeitig verließ der einzige parteilose Minister in

Stockholm, Sven af Geijerstam, die schwedische Regierung. Die Änderung war von politischen Beobachtern erwartet worden. Sie ist nichtsdestoweniger sehr bedeutungsvoll, da mit ihr auch die Frage der Nachfolge Erlanders der Lösung einen Schritt nähergekommen ist! Mit Palme wird einer der am häufigsten genannten „zornigen jungen Männer” Schwedens Regierungsmitglied. Olof Palme hat eine beispiellos schnelle Karriere gemacht; er war bereits vom früheren Finanzminister Wigfors entdeckt und in verantwortungsvolle Stellungen gebracht worden; auch Erlander selbst setzte sich stark für ihn ein, machte ihn zu seinem persönlichen Referenten, so daß der begabte junge Mann schon lange vor der Erreichung seines 30. Lebensjahres eine bedeutsame Rolle in die Arbeiterpartei spielen konnte und auch bald in der Staatskanzlei in Stockholm als einer der „kommenden Männer” betrachtet wurde.

Olof Palme, geboren am 30. Jänner 1927, errang 1948 den akademischen Grad eines „Bachelor of Arts” in den USA, wurde Jur.-Kandidat in Stockholm 1951, war von 1951 bis 1953 Vorsitzen der der Vereinigten Studentenverbände, wurde im letztgenannten Jahr Referent des Staatsministers und 1957 Mitglied der Ersten Kammer. Innerhalb weniger Jahre entwickelte er sich immer deutlicher zum Chefideologen der schwedischen Arbeiterpartei. Im Arbeiterbildungsverband und im Sozialdemokratischen Jugendverband hatte er führende Posten inne. Im Parlament befaßte sich Palme meistens mit Studien- und Ausbildungsfragen, auch in den Entwicklungsländern. Palme entstammt einer streng konservativen Familie: Seine Mutter ist aktiv für die Konservative Partei tätig, und der Vormund Palmes, Harald Nordensson, war konservatives Mitglied der Ersten Kammer. Er ist Reserveoffizier und Oberleutnant der Kavallerie, der standes- bewußtesten Waffengattung in Schweden; seine Frau Lisbeth stammt aus der adeligen Familie Beck-Friis — ein wichtiger Umstand für kommende Staatsmänner in Schweden. Wahrscheinlich war es ein Zufall — die Begegnung mit Wigfors! —, der Palme zu einem Sozialdemokraten machte. In seiner bisherigen Tätigkeit erwies sich Palme als ein scharfer Kritiker, nicht nur der gegnerischen Parteien, sondern auch der konservativen Kreise und Hierarchie in der eigenen Partei. Als Minister ohne Portefeuille dürfte sich Palme als Jurist mit der Durcharbeitung von Gesetzesvorlagen von juristischen Gesichtspunkten befassen. Viele Beobachter wollen in dem neuen Minister einen kommenden Außenminister oder Staatsminister sehen.

Über die Gedankengänge Palmes gab eine Rede einige Hinweise, die am 20. August 1961 — knapp nach Errichtung der Berliner Mauer — in Regensburg gehalten worden ist:

„Die Diktaturen werden in ihrer Überheblichkeit immer nur eine Episode in der Geschichte bleiben, denn sie vergehen sich gegen alles, was einer Gesellschaft Leben, Stärke und inneren Zusammenhang gibt Die Zukunft gehört der Demokratie, weil sie die einzige Lebensform ist, die den Wert und die Würde des Menschen achtet! — In diesen’ Tagen gehen unsere Gedanken zu den Menschen in Berlin; diese Menschen zeigen uns, was Freiheit und Demokratie wirklich bedeuten!”

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