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Machtwechsel im Norden

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Vor einem Jahr war noch alles anders. Da regierten die Sozialdemokraten noch in Oslo und Kopenhagen. Da versuchte in Stockholm eine bürgerliche Koalition, die eigene Krise und die ihres Landes zu meistern. Heute haben in Norwegen und Dänemark konservative Regierungschefs die Macht übernommen. Schwedens

Parlamentswahlen aber brachten dem Sozialistenführer Olof Palme seinen ersten richtigen Wahltriumph.

Laufen die Entwicklungen in den skandinavischen Ländern so in entgegengesetzte Richtungen? Kaum. Ein gemeinsamer Trend ist festzustellen, auch wenn die einen sich nach rechts wandten und die anderen nach links.

Uberall mußten die Regierenden ihre Koffer packen und ihre Ämter einer Opposition überlassen, die — bevor sie an die Macht kam - es leicht hatte, die Verantwortlichen für ihre Krisenpolitik zu kritisieren. Wenn sie dann selbst die Geschäfte übernimmt, sieht vieles anders aus.

Während Norwegens Probleme recht spezieller Art sind, da der ölreichtum dem Land jene akuten Finanzsorgen erspart, die die skandinavischen Nachbarländer plagen, ähneln die wirtschaftlichen Sorgen der Dänen und Schweden einander stark.

Auslandsverschuldung und Haushaltsdefizit sind bedrückende Lasten für die Ökonomie, zu denen sich die Arbeitslosigkeit gesellt, die in Dänemark zwar erheblich größer ist als in Schweden, jedoch in letzter Zeit auch dort einen dramatischen Steigerungstakt verzeichnet.

Dieser Entwicklung stand die dänische sozialdemokratische Regierung ebenso hilflos gegenüber wie Schwedens Koalition aus Liberalen und Bauernzentrum.

Wahlsieger Palme: Will neue Wege beschreiten (Foto Camera Press)

Beide waren Minderheitsregierungen, die, wenn sie ihre Pläne den Parlamenten vorlegten, so viele Abstriche von ohnedies schon mangelhaften Vorlagen machen mußten, daß die Ergebnisse völlig unzureichend wurden.

In dieser Lage verordnen die neuen Männer an der Macht ihren Ländern völlig unterschiedliche Medizin. In Dänemark will sich Poul Schlüters Bürgerkleeblatt aus der Krise heraussparen, die öffentlichen Ausgaben kürzen und der Verbesserung der Staatsfinanzen das Hauptaugenmerk schenken.

In Schweden hingegen nennt Olof Palme ohne Zögern die Arbeitslosigkeit, wenn er auf das schwerste Problem seines Landes angesprochen wird. Daher setzen Schwedens Sozialdemokraten auf Expansion. Die öffentliche Hand soll als Arbeit- und Auftraggeber Schwung nach Schweden bringen. Statt der Kürzungen im Sozialhaushalt, die die bürgerliche Regierung durchzuführen plante, will Palme die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte anheben — auf ein Rekordniveau von 23,5 Prozent. An den Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates soll hingegen nicht gerüttelt werden.

Wegsparen lassen sich Budgetdefizite in der Größenordnung, wie man sie heute in Skandinavien kennt, nicht, ohne das Rad der Zeit auf die dreißiger Jahre zurückzudrehen, meinen die Sozialdemokraten. Nur durch erhöhte Produktion lassen sich die Schulden beseitigen. Der Haken dabei: Versuche, einen Aufschwung künstlich zu produzieren, sind bisher stets gescheitert. Sie haben statt mehr Arbeitsplätzen nur höhere Inflation gebracht. Palme will einen neuen Versuch starten.

Um der Wirtschaft jenes Geld zuzuführen, das sie für die notwendigen Investitionen braucht, müssen nach Ansicht der neuen schwedischen Regierung jene. Arbeitnehmerfonds” verwirklicht werden, die die bürgerliche Reichshälfte im Wahlkampf so heftig bekämpft hat. Jetzt, da die Wahlen vorbei sind, will Palme das Gespräch mit Opposition und Industrie suchen. Die umstrittenen Fonds sollen durch ein Prozent der Lohnsumme und durch einen Anteil an „überhöhten” Gewinnen gespeist werden.

Mit diesen Mitteln sollen die Fonds Industrieaktien kaufen. Während die Regierung meint, diese zusätzlichen Gelder könnten Schwedens „Reindustrialisie-rung” einleiten, meinte die Wirtschaft bisher, - man investiere nicht, weil man Kapital zur Verfügung gestellt bekommt, sondern weil man verdienen will.

Nicht am Kapital, sondern an den Verdienstmöglichkeiten mangle es in Schweden, und die Fonds dienten dazu, die Privatwirtschaft nach und nach der öffentlichen Kontrolle zu unterwerfen.

Der .Palmsonntag” hat Schweden auf einen neuen Weg geführt. Gerade weil in anderen Teilen Europas derzeit ein konservativer Wind bläst, wird es sich lohnen, den Resultaten der Politik Palmes Beachtung zu schenken.

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