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Schwedischer Weg

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Bei den Berichten, die ich im Fernsehen über das Verbrechen an Olof Palme sah, war für mich beeindruckend, mit welch' würdevoller Gelassenheit, die doch voll Anteilnahme war, das schwedische Volk reagierte. Selbst in den ersten, unmittelbaren Reaktionen, bei denen normalerweise gerne über das Ziel hinausgeschossen wird, wurde nicht mehr Überwachung und dergleichen gefordert. Im Gegenteil: Man hoffe, so der Tenor aller Stellungnahmen, daß sich auch durch dieses Attentat nichts an der großen Freiheit der Bürger Schwedens ändern werde.

Daß Schwedens Bürger im Bewußtsein großer Freiheit leben, klang wahrscheinlich für den einen oder anderen hierzulande, der die Berichte über den ausufernden schwedischen Wohlfahrtsstaat verfolgt hat, überraschend. Hat nicht Schweden die höchste Steuerbelastung aller westlichen Industriestaaten, ja ein geradezu kon-fiskatorisches Steuersystem? Mischt sich nicht der .Staat in für uns (noch immer) unvorstellbarer Weise in die Erziehung der Kinder ein? Und gehört das nicht auch alles zum Begriff der bürgerlichen Freiheit?

Das ist für den Außenstehenden aber beileibe nicht das einzige Paradoxon des schwedischen Weges. Entgegen allen Erwartungen wurde der totale Wohlfahrtsstaat in Schweden auch von den Konservativen nie in Frage gestellt. Und entgegen den Erwartungen bei einem Land mit einer derart hohen Staatsquote (um die 50 Prozent, d. h. jede zweite verdiente Krone ist an den Staat abzuliefern) ist der Anteil des Staates an der Industrie deutlich geringer als beispielsweise in Österreich. (Und es war auch nie ideologisches Ziel der schwedischen Sozialdemokraten, diesen Anteil auszuweiten, vgl. Seite 8.)

Wahrscheinlich ist das, auf welchem Niveau immer man Sich sozial- oder wohlfahrtsstaatlich betätigen will, das mit Abstand bessere Konzept Weil solcherart klar zwischen produktiven und wohlfahrtsstaatlichen Aufgaben getrennt wird. In Österreich hat ja nicht zuletzt das Aufhalsen von beschäftigungspolitischen Zielsetzungen, Umverteilungsaufgaben (höhere Löhne) und anderen nichtbetrieblichen Bürden zur Malaise der verstaatlichten Industrie geführt (der jetzt abgeschaffte Proporz ist meiner Meinung nur die logische Folge dieser zusätzlichen Zielsetzungen gewesen).

Für die Einrichtung eines Wohlfahrtsstaates, und soll er noch so komfortabel sein, ist ein großer Staatsanteil an der Industrie keinesfalls Voraussetzung. Das jedenfalls hat der schwedische Weg, was immer man sonst von ihm halten mag, bewiesen.

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