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Die Warnung aus Norwegen
Einige Stunden vor Beginn der Wahlen zum norwegischen Palament saßen wir im neuen und sehr schönen Volkshaus zu Narvik einigen sozialdemokratischen Spitzenpolitikern aus Nordnorwegen gegenüber. „Wie wird sie ausgehen, diese Wahl“, fragte ich, „jenseits der Grenze gibt man Gerhardsen nicht allzuviel Chancen, noch einmal Ministerpräsident zu werden.“
„Für einen solchen Pessimismus ist nicht der geringste Grund vorhanden“, lautete die Antwort, „in dem Bereich, den wir überblicken können, ist die Stimmung für unsere Partei ausgezeichnet!“
24 Stunden später, als alle einlangenden Teilberichte von einem Verlust der Arbeiterpartei von dreieinhalb bis vier Prozent der abgegebenen Stimmen erzählten, sagte derselbe Politiker: „Nun ist es am besten, wir gehen und räumen die Schreibtische auf.“ Im übrigen aber: kein Kommentar!
Ende der Internationale
Die Arbeiterpartei in Norwegen hat diese Wahl — und damit die Verfügung über die Regierungsgewalt — vor allem auf Grund eines eklatanten Mangels an Selbstkritik, an Besinnung, an Phantasie und wegen des fehlenden Willens zur inneren Erneuerung verloren. Was sie an Programmen verkündet hat, mag da und dort vertretbar sein, was sie daraus machte, ist weniger überzeugend. Der Parteiapparat knirschte und knarrte in allen Gelenken, die Regierung war durch innere Gegensätze geschwächt, und keines ihrer Mitglieder glaubte in Wirklichkeit an einen Sieg. Weit draußen in der Provinz täuschte man Siegesbewußtsein vor, für das die Situation keine Deckung bot. So kam es, wie es kommen mußte! Nach 30jähriger fast ununterbrochener Regier ungsführung mußte Gerhardsen die Niederlage zugeben. Das Photo des Regierungschefs, der mit tief gesenktem Kopf dasitzt, ging am nächsten Tag durch die Weltpresse, es war ein sehr eindrucksvolles Bild: Nun mußte auch er gehen und den Schreibtisch aufräumen!
Die Niederlage der norwegischen Sozialdemokratie ist aber auch eine Niederlage der gesamten skandinavischen Sozialdemokratie und des Systems des sogenannten „nordischen Sozialismus“. Bis zum 13. September konnten die Länder Schweden, Dänemark und Norwegen in internationalen Zusammenhängen als ein geschlossener Block sozialdemokratischer Regierungen auftreten. Vor allen wichtigen internationalen Entscheidungen kam es zu Vorbesprechungen der Außenminister, der Verteidigungsminister oder auch der Staatsminister. Es war eine gut funktionierende kleine sozialdemokratische Internationale, vielleicht die einzige funktionierende Internationale überhaupt, die sich rasch und reibungslos auf konkrete Ziele einigen konnte. Nun werden zwar die Herren Krag und Erlander auch mit Per Borten, dem neuen Regierungschef, sprechen müssen, mit der alten Parteiintimität ist es jedoch vorbei, und auch die berühmt gewordenen Harpsund-Konferenzen werden ihren parteipolitischen Anstrich und damit ihren Propagandawert verloren haben.
„Zeit, einmal zu wechseln“
„It's time for a change“ — es ist Zeit, einmal zu wechseln! —, so charakterisierte sogar ein schwedisches Parteiblatt das, was viele Norweger gedacht und gefühlt hatten. Und die Fortsetzung dieses Kommentares formte sich zu einer vernichtenden Kritik der sozialdemokratischen Politik in Norwegen, mit bezeichnenden Seitenblicken auf die schwedische Sozialdemokratie, die nicht weniger Unterlassungssünden auf dem Kerbholz hat als die norwegische: „Die Arbeiterpartei war praktisch genommen 30 Jahre in Regierungsstellung, und die letzten vier Jahre im Stortinget waren gekennzeichnet von Krisen und tastender Unsicherheit!“
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