Verwegen weiterträumen

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Seit dem Einzug der Grünen ins Parlament mit Freda Meissner-Blau an der Spitze hat es zwar Rückschläge gegeben. Doch der Einsatz für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit bleibt ein moralisches Muss.

Freda Meissner-Blau * 1927

Umweltschützerin

Die Furche feiert ihr 60-jähriges Jubiläum und ist damit rund doppelt so alt wie die Anfänge der ersten kleinen, meist noch regionalen und ziemlich inhomogenen Grünparteien in Europa. Die Wurzeln der Grünen freilich, die Friedensbewegung, die Frauenbewegung, verschiedene Dritte Welt-Initiativen, der Naturschutz-Gedanke und die Tierschutzbewegung sind teilweise viel älter.

Bunte Gruppe im Parlament

Für die österreichische Grünbewegung war das Jahr 1986 eine entscheidende Zäsur: Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Grün-Bewegten schaffte den Einzug ins Österreichische Parlament; an ihrer Spitze als Klubobfrau Freda Meissner-Blau.

Es war eine Mischung aus der Einsicht, dass Wirtschaftswachstum oftmals nicht die Lebensqualität verbessert - jedenfalls nicht für alle, aus dem Staunen über die tiefe Weisheit mancher Grün-Parolen der Ur-Zeit und nicht zuletzt über den Mut von Menschen, von Frauen, die dem etablierten System mit seinem immanenten Zerstörungspotential entgegentraten, die auch meinen Widerstandsgeist, meine grünen Träume weckten.

Der Atom-Wahnsinn, das Artensterben, die Verpestung von Böden, Wasser und Luft, die industrielle Marter von Tieren, der Raubbau an den letzten Urwäldern und an nicht erneuerbaren Schätzen, die Ausbeutung der Dritten Welt und die daraus resultierenden sozialen Ungerechtigkeiten - dass all das unerträglich war, konnte nur noch von Bornierten oder Profiteuren geleugnet werden.

Schlichte Wahrheiten wie "Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt" und neu entdeckte indianische Weisheiten wie die, dass man/frau Geld nicht essen kann, haben mich, die ich so viel und so eifrig und erfolgreich studiert hatte, begeistert. Diese simplen Erkenntnisse waren und sind wichtiger und not-wendiger als alle Formeln der Gewinn-Maximierung oder als der Dow Jones.

Doch ohne persönliche Vorbilder und die Gewissheit, dass Widerstand gegen die Zerstörung der Schöpfung und der Geschöpfe zwar nicht leicht, aber allemal möglich ist, hätte ich den Schritt in die Politik nie gewagt. Ich erinnere mich, wie ich Berichte über die leider so früh und tragisch verstorbene Petra Kelly, über diese nur scheinbar zerbrechliche, tatsächlich löwinnenstarke Frau verschlungen habe. Und es war Freda Meissner-Blau und ihr Auftreten gegen harte österreichische Verkrustungen, die mir zur Einsicht halfen, dass ich geradezu verpflichtet bin, diese Lebens-Bewegung tatkräftiger zu unterstützen als mit einem Kreuzerl in der Wahlzelle.

Seither sind viele Jahre vergangen. Ich habe viel gelernt, manches auch unwillig lernen müssen - vor allem Geduld, die mir oft immer noch fehlt. Es hat Rückschläge gegeben, Durststrecken und Enttäuschungen. Doch in Summe habe ich diesen Schritt nie bereut. Die Vorbilder sind die richtigen, die Öko-Thesen samt ihrer sozialen Fundierung lebenswichtig und der Einsatz dafür ein moralisches Muss, ein ethischer Auftrag.

"Nüchterner geworden"

Weil es um grundsätzliche Werthaltungen geht, kommen wir wohl nicht zufällig immer wieder mit der Furche in einen fruchtbaren Dialog. Im Interview des Jahres 1995 mit dem Titel "Die Träume sind längst verflogen" meinte Freda Meissner-Blau zur damaligen unerbaulichen innerpolitischen Situation über die Grünbewegung: "Ich bin nur nüchterner geworden."

Nein, liebe Freda, eine harte Realität verdrängt zwar gelegentlich den einen oder anderen Traum, aber endgültig kaputt machen kann sie diese grünen Träume nicht. Wahrscheinlich fangen wir erst an, viel stärker und verwegener zu träumen und vielleicht träumt die Furche den einen oder anderen Traum mit uns ...

Die Autorin ist Obfrau des

Grünen Klubs im NÖ Landtag, war von 1992 bis 1999 Obfrau des Grünen Parlamentsklubs

und von 1994 bis 1996 Bundessprecherin der Grünen.

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