Agenda eines Kulturkampfs

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Immer wieder vergiften Kulturkampf-Begriffe den Diskurs, wenn es um gewalttätige Vorgänge mit einer religiösen Konnotation geht. Da wird etwa schnell "Christenverfolgung" bemüht, um unterschiedlichste Szenarien und Leiderfahrungen über einen Kamm zu scheren. Nun hat der katholische Priester, Mitglied der Klostergemeinschaft von Mar Musa, Jens Petzold, der im Nordirak lebt, sich in einem Zeitungsinterview scharf gegen den Begriff "Genozid an den Christen" in seiner Region gewandt, denn es würden alle Muslime, die der IS als Abtrünnige qualifiziere, oder die Jesiden noch schlimmer behandelt.

Keine Frage: Es gibt in den Auseinandersetzungen gerade in Nahost unsagbares Leid, es ist ein Exodus der Christen zu beklagen und in den autoritären Staaten mit dem Islam als Staatsreligion viel zu kritisieren, was den Umgang mit Nichtmuslimen oder Nichtgläubigen betrifft.

Dennoch kann man die unterschiedlichen Situationen nicht einheitlich bewerten oder daraus eine globale Entwicklung imaginieren. Auch diejenigen, die das Christentum zur weltweit am meisten verfolgten Religion hinauflizitieren, sind nicht hilfreich. Denn erstens gibt es das Christentum oder die Christen nicht, und zweitens ist schon die Tatsache, dass sich weltweit am meisten Menschen zum Christentum bekennen, mitverantwortlich, dass Christen weltweit den größten Teil an Gewaltopfern stellen.

Auch hier ist Differenzierung angesagt: Die Lage etwa in Syrien stellt sich anders dar als jene in Saudi-Arabien, und wenn dann manche auch noch die Säkularisierung als besonders subtile Form der Christenverfolgung dazuzählen, dann ist klar, dass es hier einmal mehr um die Agenda eines Kulturkampfs geht, der rein gar nichts zur Lösung der globalen Probleme beiträgt.

Man befrage Betroffene (vgl. etwa Seite 14 dieser FURCHE) - und man wird feststellen, dass Gewalt und Menschenverachtung nicht an Religionsgrenzen festzumachen sind. Und wer meint, das (gar nicht so) christliche Europa müsse sich an erster Stelle der christlichen Opfer annehmen, hat von den Problemen und Mechanismen, die da am Werk sind, nichts verstanden.

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