Kirchlicher Regisseur wird 75 Jahre alt

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Mit Václav Havel war Dominik Duka einst in Haft gesessen, jetzt aber hatte er auch dessen so ganz anders gearteten Nachfolger -Václav Klaus -auf seiner Seite.

Er habe sich Dominik Duka als Nachfolger Miloslav Vlks gewünscht, aber es habe ihn verdrossen, dass ihn allzu sehr seine beiden Steckenpferde Politik und Geschichte in Anspruch genommen hätten. Das sagte der Prager Theologe und Soziologe Tomáˇs Halík in einem Interview Anfang April. Die Inszenierung der Heimkehr Kardinal Berans vor einer Woche sollte umgehend illustrieren, was er damit meinte.

Josef Beran, geboren 1888 und von den Nazis zuletzt in Dachau interniert, wurde 1946 zum Erzbischof von Prag ernannt, konnte sein Amt aber keine drei Jahre ausüben. 1965 von Paul VI. zum Kardinal kreiert, durfte er ausreisen und plädierte am Zweiten Vatikanum für die Anerkennung des Gewissens als letzter Instanz. Von den Kommunisten an der Rückkehr gehindert, verstarb Beran 1969 in Rom und wurde in der Papstgruft des Petersdoms beigesetzt.

Im Bann der Geschichte

Von dort wurde am vergangenen Donnerstag der Sarg entnommen und tags darauf nach Prag gebracht; der Empfang am Militärflugplatz erfolgte mit militärischen Ehren und politischer Assistenz. Nach Zwischenstationen in der Theologischen Fakultät und im Kloster Strahov erfolgte am Samstag eine Prozession zum Veitsdom zum Requiem. Die Regieanweisungen reichten bis zur Information, dass einer der sechs Wallachen bereits die Lafette mit Václav Havel gezogen hatte.

Am Montag wurde Kardinal Beran in der Annenkapelle des Doms beigesetzt. Der 23. April ist der Gedenktag des heiligen Adalbert, eines weiteren Vorgängers, mit dem sich Dominik Duka identifiziert. Das Cranium des 997 in Preußen Ermordeten war während des Pontifikalamts am Altar ausgestellt, und rechtzeitig war eine Vojtˇechstatue in Silber gegossen worden, die schon Erzbischof Beran in Auftrag gegeben hatte.

Die als solche sehr ansprechende Figur des auferstehenden Heiligen begrüßt jetzt die Besucherinnen und Besucher beim Betreten des Doms, engt aber die liturgischen Möglichkeiten noch weiter ein. Dominik Duka freilich hat sich mit der ganzen Aktion zum eigenen Geburtstag am 26. April selber das schönste Geschenk beschert.

Mit einem Geschenk hat Dominik Dukas Amtszeit als Primas von Böhmen auch begonnen und mit ihm wird er wohl in die Geschichte des Landes eingehen. Kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2010 beendete er den endlosen Streit um die Besitzrechte des Veitsdoms

und überließ diesen ein für alle Mal dem Staat. Gewiss ein Herzstich für seinen Vorgänger Miloslav Vlk, der sich dem leidenschaftlich widersetzt hatte. Zwei Jahre danach stahl ihm der Nachfolger in einem "Window of Opportunity" dann auch noch die Show beim ebenso heiß umfehdeten Abschluss des Restitutionsvertrags.

Mit Václav Hnavel war Dominik Duka einst in Haft gesessen, jetzt aber hatte er auch dessen so ganz anders gearteten Nachfolger auf seiner Seite. Václav Klaus verkündete am Ende von Dukas Inthronisation im Veitsdom, dass soeben sein polnischer Amtskollege Lech Kaczy´nski bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sei. Wenige Tage danach sah man Duka mit Klaus im Zug Richtung Krakau fahren, wo der Wawel-Dom zwar noch in weit höherem Ausmaß ein liturgischer Unort ist, aber in der Königsgruft eben auch Platz für Präsidenten war.

Zweifelhafte Freunde

Die bis heute ungebrochene Freundschaft mit Klaus behagte hingegen nicht allen Katholiken. Vor allem eine Einladung zur Nationalwallfahrt nach Stará Boleslav rief Dukas Langzeitkontrahenten Tomáˇs Halík auf den Plan; Klaus habe die Wallfahrt zur Agitation für seine politischen Ziele missbraucht. Die Kirche habe im Staat "nicht nur eine dekorative Rolle, sondern auch eine prophetischkritische". Ambivalenter ist Dukas Beziehung zu Miloˇs Zeman. Dieser hat ihm den höchsten Orden der Republik, den "Weißen Löwen", verliehen. Gemeinsam ist den beiden Herren die radikale Ablehnung vor allem muslimischer Flüchtlinge.

In einem Interview zitierte Duka den Dichter Jan Neruda, der auf die Erklärung des deutschen Kunsthistorikers Jacob Burckhardt, der Altstädter Ring werde eines Tages mit tschechischen Köpfen gepflastert sein, erwidert habe, in Böhmen sei "weder Platz für Deutsche noch Juden". Man versteht, warum der aus Böhmen exilierte Wiener Kardinal Schönborn mit Tomáˇs Halík besser kann als mit seinem dominikanischen Ordensbruder.

Dukas Vater war so wie Josef Beran ein Gegner der rechten wie der linken Diktatur: Er schlug sich nach England durch und kämpfte in der Royal Airforce für die Befreiung der Tschechoslowakei. Nach der Rückkehr in die Heimat sperrten ihn die Kommunisten als Kollaborateur mit dem Westen ein. Ausgehend vom Vorbild seines Vaters fragt Duka die jungen Männer im Nahen Osten, warum sie denn nicht im eigenen Land für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen. Dass sich der Islam gegen Europa verschworen habe, ist für ihn eine persönliche Erfahrung und das Land habe ohnehin schon eine halbe Million Ausländer aufgenommen - aus der Ukraine, aus Vietnam und Roma aus der Slowakei.

Als heuer am Aschermittwoch am Rande der Kirche stehende junge Intellektuelle gegen eine mögliche Verlängerung von Dukas Amtszeit demonstrierten, schrieb Zeman dem Papst einen Brief, in dem er Dukas ausgleichendes, zumal ökumenisches Wirken pries.

Ambivalentes Verhältnis

Auf die Frage, wen sie sich denn als Nachfolger Dukas vorstellen, antwortete eine der Feministinnen: "So jemanden wie Franziskus." Zu Kardinal Vlks Begräbnis vor einem Jahr ist Zeman aber nicht erschienen und jetzt war ihm ein Besuch des kommunistischen Parteitags wichtiger als das Dabeisein bei der Repatriierung Josef Berans.

In Tschechien wurden 2017 nur 14 Prozent der Neugeborenen getauft, bei sinkender Tendenz. Rund ein Fünftel aller Taufen entfällt jedoch stabil auf Erwachsenentaufen und mit einem regelmäßigen Gottesdienstbesuch der deklarierten Gläubigen im Alter von 16 bis 29 Jahren erreicht Tschechien in Europa einen Spitzenwert. Der Säkularisierungsprozess hat hier bereits voll durchgeschlagen. Wer hier glaubt, hat sich bewusst entschieden.

Als Regisseur hat sich Dominik Duka glänzend bewährt und wird es vielleicht noch etwas länger tun. Symbolpolitik auf dem Hradschin wird aber nicht genügen, um die Kirche im Land wieder zu verankern. Jetzt sei ein neuer Glaubenstyp gefragt, meint Tomáˇs Halík: "Glaube als Weg, als Suche, als Mut, in den Schatten des Geheimnisses einzusteigen und in demütiger Hoffnung viele offene Fragen auszuhalten".

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