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Costa-Gavras, griechisch-französischer Politthriller-Spezialist, brachte Rolf Hochhuths "Stellvertreter" auf die Leinwand. Die Frage nach dem Schweigen des Papstes zu den NS-Verbrechen ist die stärkste Legitimation für den Film.

Den - kleinen - Skandal löste vor allem in Frankreich das vom Schock-Fotografen Oliviero Toscani gestaltete Filmplakat aus, das eine Mischung von Kruzifix und Hakenkreuz darstellt. Im deutschen Sprachraum vermied man solche Unbill, indem man erst gar nicht aufs Opus des ehemaligen Benetton-Plakat-Gestalters zurückgriff.

Auch sonst entpuppt sich Costa-Gavras Film "Der Stellverteter", der am 18. Oktober in die heimischen Kinos kommt, als unspektakuläres Werk - keine Spur mehr von den Aufregungen, die Rolf Hochhuths gleichnamiges Stück vor knapp 40 Jahren hervorgerufen hat. Es ist auch unklar, warum der griechisch-französische Politthriller-Spezialist Costa-Gavras sich gerade jetzt der Gestalt von Pius XII. und seinem öffentlichen Schweigen zu den NS-Verbrechen widmet. Dass der Österreich-Start des Films mit der neu entfachten Debatte um die katholische Kirche und die NS-Zeit zusammenfällt, ist bloß eine zeitliche Koinzidenz (vgl. Seite 4).

"Der Stellvertreter", Rolf Hochhuth bestand auf dem Originaltitel in der deutschen Fassung des Films (Costa-Gavras nannte ihn hingegen "Amen", unter diesem Namen läuft der Film auch außerhalb des deutschen Sprachraumes), hält sich in den Grundzügen an die Vorlage des deutschen Dramatikers, reichert die Handlung - nicht in der Substanz - aber um historische Details und Personen an.

Kurt Gerstein (berührend dargestellt von Ulrich Tukur), bei der SS als Zyklon-B-Spezialist gelandeter evangelischer Christ, erfährt von den NS-Mordplänen gegen die Juden und versucht, moralische Institutionen von den Verbrechen in Kenntnis zu setzen: den evangelischen Superintendenten Otto Dibelius, den schwedischen Gesandten, den päpstlichen Nuntius. Bei allen stößt er auf Ablehnung, nur der Jesuit Riccardo Fontana (Mathieu Kassovitz), der Sekretär des Nuntius, glaubt ihm und versucht, Gerstein im Vatikan Termine beim Kardinal-Staatssekretär und beim Papst zu verschaffen. Doch der Kurienapparat lässt das nicht zu und auch Pius XII. selbst ringt sich zu keiner Äußerung durch: Er ist zu ängstlich um etwas gegen die politische Linie zu tun. Nach dem Krieg hingegen erweist sich der Vatikan als viel "mutiger": Der in Rom tätige österreichische Bischof Hudal verschafft dem "Doktor", ein an der Gestalt des KZ-Arztes Josef Mengele orientierter Charakter, der vom Ulrich Mühe brilliant dargestellt wird, eine neue Identität in Lateinamerika.

"Der Stellvertreter" ist kein cineastischer Superwurf, wohl aber spannender Mainstream, der die Zwiespältigkeit der Guten - Gerstein versucht, die Massenmorde zu verhindern, muss aber zugleich daran mitwirken - ebenso thematisiert wie die schwächliche Untätigkeit der Hierarchen, die aber nicht dämonisiert werden; nicht zuletzt Rolf Hochhuth selbst warf Costa-Gavras vor, den Papst zu nachsichtig zu zeichnen: Aber gerade das spricht für den Film, dem es gelingt, die Balance zwischen Anklagen und Fragen zu halten: Dass am Ende des Films die Guten tot sind, die Zaudernden und die Bösen hingegen überlebt haben, impliziert eine politische Anfrage, der sich jedenfalls auch der Zuschauer zu stellen hat.

Warum hat der Papst zu all dem geschwiegen? Diese Frage durchzieht den Film und ist wahrscheinlich seine stärkste Legitimation: Die katholische Kirche wäre gut beraten, sich dieser Frage - die auch eine der schweren Anklagen in Daniel Goldhagens Buch darstellt - geduldig und offen zu stellen. Dass dabei die Lobbys, die eine Seligsprechung Pius XII. betreiben, äußerst kontraproduktiv sind, liegt auf der Hand: Der Pacelli-Papst darf nicht vorverurteilt werden, keine Frage. Er soll aber auch keinesfalls einen Vorfreispruch erhalten: Dazu leistet der Film einen auch historisch anständigen Beitrag.

DER STELLVERTRETER - Amen.

F/D 2002. Regie: Costa-Gavras. Mit Ulrich Tukur, Mathieu Kassovitz, Ulrich Mühe, Michel Duchaussoy, Marcel Iures, Ion Caramitru. Verleih: Constantin. 130 Min.

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