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Greenpeace stößt an die Grenzen des TJiichstums

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Nach Jahren des reichlichen Spendenflusses ist jetzt bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace sparen angesagt.

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Nach Jahren des reichlichen Spendenflusses ist jetzt bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace sparen angesagt.

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Bei der Jahreskonferenz des internationalen Greenpeace-Rates in der nordtunesischen Küstenstadt Tabarqa haben die mehr als 100 Vertreter der 32 nationalen Greenpeace-Organisationen erstmals schmerzhafte Einsparungen beim Personal beschlossen. Von 1.100 hauptamtlichen Mitarbeitern sollen 90 gekündigt werden. Gespart wird vor allem beim Euro von Greenpeace International in Amsterdam. Die Verwaltung (200 angestellte Mitarbeiter) soll gestrafft und um 50 Mitarbeiter reduziert werden.

Laut Florian Faber, Pressesprecher von Greenpeace Österreich, kam bis 1991 fast die Hälfte der weltweiten Unterstützungsgelder aus den USA. Dort hat Greenpeace jetzt die größten Einbrüche hinnehmen müssen. Viele patriotische Amerikaner haben Greenpeace sehr übel genommen, wie deren Umweltaktivisten durch Aktionen und Demonstrationen gegen den Golfkrieg aufgetreten sind. Diese hatten darauf aufmerksam gemacht, daß es der US-Regierung nur um die Geschäfte der amerikanischen Ölindustrie geht, erzählt Faber. Rereits 1991 mußte Greenpeace infolge der nachlassenden Spendenfreudigkeit zwei regionale Rüros schließen und 30 Mitarbeiter entlassen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den USA haben zudem das Thema Umweltschutz in den Hintergrund gedrängt. Der Aufschwung in den USA habe erst langsam begonnen, und mit erhöhter Bereitschaft zu Spenden sei daher erst mit Zeitverzögerung zu rechnen, hofft Faber auf eine bessere Zukunft.

Mitte der achtziger Jahre expandierte Greenpeace gewaltig. Unterstützten 1980 erst rund 90.000 Spender die umweltpolitische Arbeit, so waren es 1985 bereits eine Million. 1990 wurde mit 4,8 Millionen Spendern die Höchstmarke erreicht.

Der große Erfolg verleitete zu einer raschen Expansion. Greenpeace wurde 1971 in den USA gegründet und baute anfangs neue Organisationen nur in Industrieländern auf.

Diese nationalen Organisationen konnten sich nach einer Starthilfe auch rasch selbst erhalten. Mit in den achtziger Jahren gesammelten Geldern baute Greenpeace zahlreiche Euros in Entwicklungsländern und seit dem Zerfall des Sowjetimperiums in den osteuropäischen Ländern auf. 1991 zählte man bereits 25 Büros. Nur drei Jahre später unterhält Greenpeace bereits 49 Büros in 32 Ländern. Diese Expansion kostet viel Geld und Greenpeace International gab mehr Geld aus, als es einnahm.

In den Industrieländern können die Einnahmen nicht unbeschränkt wachsen, zumal Greenpeace nicht die einzige Umweltschutzorganisation ist, die Spendengelder sammeln muß. Ein enemaliger Mitarbeiter bringt das Problem auf einen einfacher Nenner: „Das ist so wie in der Fischerei. Wenn alle im gleichen Teich fischen, ist eben eines Tages der Teich ausgefischt.” Hinzu kommt, daß Umweltschutzgruppen mit humanitären Organisationen konkurrieren. Im Krisenfalle - siehe die Bosnienhilfe von „Nachbar in Not” - öffnet akute, direkt sichtbare menschliche Not eher die Geldbörsen der Spender.

„Nun ist der Zeitpunkt da, die Verwaltung zu straffen”, nennt Faber das Gebot der Stunde. Die Krise habe allerdings auch ihre positiven Seiten, zwinge sie doch, die Organisation von Greenpeace effizienter und dadurch schlagkräftiger zu machen. Der internationale Greenpeace-Rat hat folgende Neuorientierung der Arbeit beschlossen.

■ Ein Teil der Kampagnearbeit soll von der internationalen Zentrale auf die nationalen Büros verlagert werden.

■ Die Anzahl der Kampagnenthemen soll verringert werden. Im Ausgleich dazu sollen die Kernthemen stärker propagiert werden. Als solche Kernthemen gelten: Atom, Chemie, Artenschutz, Atmosphäre und Regenwald.

■ Der Zuschuß von Greenpeace International an nationale Organisationen, die ihre Aktivitäten nicht zur Gänze selbst finanzieren konnten, sollen in den nächsten drei Jahren schrittweise verringert werden. Zu diesen Defizitländern gehören Australien, Norwegen, Finnland, Irland und die Mittelmeerländer.

■ Greenpeace will vom Image des reinen Kritisierens wegkommen. Die Organisation versucht nun öfter als in der Vergangenheit, positive Beispiele zu liefern, wie Umweltzerstörung eingebremst werden kann. So hat Greenpece den ersten kommerziellen FCKW-freien Kühlschrank entwickelt, als erster ungebleichte Kaffeefilter auf den Markt gebracht. Durch derartige Vorbildaktionen konnte Greenpeace weniger umweltbelastende Technologien und Produkte zum technischen Standard machen. Als Vorzeigeprojekt hat die Organisation ein Ökologiekonzept für die Sornrnerolympia-de in Australien ausgearbeitet.

Kurz gesagt: Greenpeace will erwachsen werden und sich auf nachhaltiges Wirtschaften umstellen. Das Erwachsenwerden hat aber auch einen Nachteil. Es können nicht nur plakative Einzelthemen, die sich gut für Spendenaktionen eignen - wie die Robben, die für herzige Fotos passen -, aufgegriffen werden, sondern es müssen auch heiklere und abstraktere Themen angegangen werden. Das Ozonloch läßt sich (noch) nicht für plakative Aktionen verwenden und am Mitverursacher Autoverkehr sind nur allzu viele (potentielle) Spender beteiligt. Aktionen gegen den Autoverkehr in Wien beispielsweise haben natürlich so manchen selbst autofahrenden Greenpeace-Unterstützer verärgert.

In Österreich ist die finanzielle Situation nicht so prekär. Freilich wurde 1989 auch hier vorerst die Decke der Spendenbereitschaft erreicht. Im Gegensatz zum internationalen Trend haben sich die Einnahmen seither bei rund 44 Millionen Schilling im Jahr stabilisiert. Das liegt wohl auch daran, daß die großen umweltpolitischen Organisationen im Öko-Forum ihre Kampagnenarbeit aufeinander abstimmen und unnötige Konkurrenz zu verhindern trachten.

Beim Fundraising will sich Greenpeace Österreich nun auf seine Kerngruppe konzentrieren und den Kontakt zu seinen Stammspendern verbessern. Der Trend gehe von kleinen Einzelspenden zu regelmäßigen, höheren Einzahlungen. Freiwillige Mitarbeiter sollen während größeren Kampagnen Spender besuchen und über die Inhalte der Kampagne informieren und den direkten Kontakt der Förderer zu Greenpeace verbessern. „Die Bitte um finanzielle Unterstützung ist nur Nebeneffekt”, grenzt sich Faber von Betteltouren anderer Organisationen ab, die Studenten ganze Wohnviertel abklappern lassen.

Die Spenderclaims sind offensichtlich im großen und ganzen abgesteckt. Nun kümmert man sich so wie andere Bürgerorganisationen um den Nachwuchs. Neu in Österreich ist, daß Greenpeace spezielle Teams für die Jugendarbeit gebildet hat. Zwanzig Kinder- und Jugendgruppen wird geholfen, eigenständige Ümweltarbeit zu machen. In Deutschland betätigen sich bereits rund 1.000 derartige Gruppen als Umweltspürnasen.

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