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Kein Ende eines Skandals

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„Die Wahrheit in dieser Affäre ist grausam, aber es ist wichtig, daß sie klar und vollständig hergestellt wird“, hatte in von den Ereignissen gezeichneter Laurent Fabius am vergangenen Sonntag erklärt. Und noch etwas sagte der französische Premierminister: „Es sind Agenten des Geheimdienstes, die dieses Schiff versenkt haben. Sie haben auf Befehl gehandelt.“

Das offizielle Schuldbekenntnis des französischen Regierungschefs kam nicht unerwartet, nachdem Zeitungsenthüllungen über die Greenpeace-Affäre vergangene Woche bereits den Leiter des Geheimdienstes, Admiral Pierre Lacoste, das Amt gekostet haben und auch der langjährige Kampfgefährte und Freund von Präsident Francois Mitterrand, Verteidigungsminister Charles Hernu, gehen mußte.

Zwei Monate hindurch hatte die französische Regierung versucht, die Untersuchung des Attentats gegen das Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“ im Sande versickern zu lassen. Doch die Vertuschungstaktik schlug fehl: Aus Geheimdienstkreisen wurden Zeitungen mit immer neuen Details versorgt, bis letzte Woche der Damm endgültig barst. Wie eine Flutwelle brach der Spionage-Skandal über Paris herein und forderte Opfer in der Regierung.

Doch der Peinlichkeiten ist noch kein Ende, die Affäre noch keineswegs befriedigend geklärt und damit die Bedrohung für die Regierung noch nicht abgewendet: Der neue Verteidigungsminister Paul Quiles war keine zwei Tage im Amt, um erkennen zu können, daß der französische Geheimdienst in die Greenpeace-Affäre verwickelt war. Vorgänger Hernu hatte wochenlang nichts Derartiges feststellen können.

Dann fand Quiles auch noch heraus, daß wesentliche Teile der Akten über die Geheimdienst-Aktion gegen Greenpeace verschwunden sind.

Viele Fragen bei diesem Skandal sind nach wie vor unbeantwortet, zum Beispiel: Von wo kam der Befehl für die Versenkung des Schiffes wirklich? Haben bei der Versenkung des Schiffes Militär und Geheimdienst eigenmächtig gehandelt oder wurde die Aktion auf politischer Ebene abgesegnet? Bis es keine eindeutige Klärung dieser Umstände gibt, wird die innenpolitische Spannung in Frankreich gewiß anhalten.

Und noch eine Frage steht offen: Wird sich dieser Skandal letztlich auch auf die französische Pazifik-, möglicherweise sogar auf die Nuklear-Politik auswirken?

In der Kraftprobe Frankreichs mit der Greenpeace-Bewegung, die mit nicht geringen Mitteln die neue Serie unterirdischer Atomversuchsexplosionen auf dem Korallenriff von Mururoa stören will, ist nach den Enthüllungen und dem Schuldbekenntnis der Regierung in Paris jedenfalls eine Runde an die Umweltschützer gegangen. Hinter Greenpeace stehen Australien, Neuseeland und die meisten Kleinstaaten des südlichen Pazifiks, die ebenfalls die Einstellung der französischen Nuklear-Tests und eine atomwaffenfreie Zone in diesem Raum fordern. Der erste Schritt hierzu wäre die Liquidierung der französischen Versuchsanlage.

Dennoch: Frankreich wird wohl auch nach dem Greenpeace-Skandal seine Pazifik-Politik konsequent fortsetzen, obwohl dies hohe Anforderungen an das Land stellt, die möglicherweise über sein Potential hinaus gehen. Weshalb aber geht Paris trotzdem so erhebliche Risiken ein?

Auf dem Spiel steht Frankreichs Anspruch auf ein weltpolitisches Mitspracherecht. Selbst wenn die Verlagerung der Versuchsexplosionen aus dem Pazifik in das mittelfranzösische Ge-birgsmassiv oder nach Korsika technisch möglich wäre, verbände sie sich mit erheblichen Kosten und einem bedenklichen Zeitverlust.

Um glaubwürdig zu bleiben, muß das Atompotential in vernünftigen Fristen modernisiert und ausgebaut werden. Selbst die Amerikaner benötigen noch zahlreiche Versuchsexplosionen. Ein Verzicht auf das militärische Atom würde von der öffentlichen Meinung als politische Katastrophe empfunden werden.

Andererseits stützt sich der französische Weltmachtanspruch auf eine gewisse Arbeitsteilung mit den USA. Washington ist zu großer Nachsicht gegenüber der politischen französischen Eigenwilligkeit bereit, weil es den Beitrag Frankreichs zur westlichen Sicherheit zu würdigen weiß, sowohl in Afrika und im Indischen Ozean wie im Pazifik.

Die USA halten die antinukleare Kampagne Australiens und Neuseelands im südlichen Pazifik für nicht weniger gefährlich als Frankreich. Es besteht in diesem Raum eine weitreichende französisch-amerikanische Interessenidentität. Im Gegensatz zu Großbritannien zeigte sich Washington in der Greenpeace-Affäre zurückhaltend. Die französische Anwesenheit in dieser Region ist für die Amerikaner eine Entlastung.

Daneben gibt es natürlich wirtschaftliche Erwägungen, die sich allerdings weitgehend auf Zü-kunftshoffnungen stützen. Die von ihm kontrollierten zahlreichen kleinen Inseln sichern Frankreich eine ausgedehnte Hoheitszone im Pazifischen Ozean, der möglicherweise im kommenden Jahrhundert zu einer der wichtigsten Versorgungsquellen der Welt mit Rohstoffen wie Mangan, Kobalt oder Kupfer werden wird.

Aus diesen Gründen scheint es eher unwahrscheinlich, daß das durch die Greenpeace-Affäre ausgelöste innenpolitische Beben in Paris sich auf die französische Pazifik-Politik auswirken wird.

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