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Die Weltmeere — Rohstofflieferanten

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Einst wollten die Alchimisten mit dem sagenhaften Stein der Weisen das Meer in reines Gold verwandeln, heute hat uns das sachliche Ergebnis einer mühevollen Forschung einen neuen Stein der Weisen geliefert: die Erkenntnis, daß uns das Meer fast alles, was wir zum Leben benötigen, in reichem Überfluß schenkt. In kluger Voraussicht sorgt der ewige Kreislauf der Natur dafür, daß nichts verlorengeht, und was auch in Jahrhunderten und Jahrmillionen aus dem Boden, aus der Luft oder auch von Menschenhand scheinbar achtlos „ins Wasser geworfen wurde“, hat sich als wertvollste Bestandteile in den Weltmeeren bewahrt und wartet nun auf die Hebung durdi den Menschen. Die Erforschung des Meeres, an der vornehmlich die skandinavische Forschung, aber auch amerikanische und russische, englische und deutsche Wissenschaftler und Forschungsinstitute beteiligt sind, hat den sicheren Nachweis erbracht, daß nahezu alle notwendigen Lebensgüter in ungeheuren Mengen im Meer enthalten sind. Ihre Gewinnung ist heute kein unlösliches Problem mehr, die Arbeit daran aber gerade in den jetzigen Notzeiten eine lebenswichtige Zukunftsaufgabe. Wie unermeßlich der Reichtum des Meeres ist, mag die Feststellung des dänischen Forschers Professor Krogh erweisen, daß sich im Meerwasser gebundener Kohlenstoff und Stickstoff in einer Menge von 4 Gramm Kohlehydraten und 1,5 Gramm Eiweiß je Kubikmeter befindet. Das bedeutet, daß allein der Gehalt des Atlantiks an diesen Stoffen dem Gesamtnährwert entspricht, der in 20.000 Welternten Weizen enthalten ist.

Daß Metalle in den Meeren enthalten sind, ist schon lange bekannt. Die neuere Forschung konnte feststellen, welche Metalle und in welchen Mengen sie vorhanden sind. Ein amerikanisches wissenschaftliches Institut in Kalifornien hat in jüngster Zeit nachweisen können, daß in einem Kubikmeter Meerwasser 1400 Milligramm Fluor, 200 Milligramm Rubidium, 70 Milligramm Lithium, 50 Milligramm Jod, 15 Milligramm Arsen, je 5 Milligramm Kupfer und Zink, 0,3 Milligramm Silber und 0,004 Milligramm Gold enthalten sind. Nach skandinavischen Forschungen kommen in relativ größten Mengen zwischen 400 und 2000 Milligramm je Tonne im Meerwasser vor: Aluminium, Fluor, Silizium und Stickstoffnitrate. Die Metalle Eisen, Barium, Mangan, Kupfer, Lithium, Phosphor und Jod finden sich in einer Menge von 50 bis 200 Milligramm je Tonne vor. Noch geringer sind die Mengen von Silber, Rubidium, Arsen, Zink, Selen, Uran und Thorium (je Tonne 1 bis 25 Milligramm), während mit etwa L Milligramm je Tonne Meerwasser vorhanden sind: Molybdän, Vanadin, Nickel, Gold und Radium. In winzig kleinen Mengen kommen noch vor: Cäsium, Kadmium, Kobalt, Blei und Zinn. Wenn es scheinbar auch nur geringe Mengen sind, die in einer Tonne Meerwasser Vorkommen, so ergibt dies doch ein wesentlich eindringlicheres Bild, wenn man als Ergebnis der jüngsten Forschung erfährt, daß allein 75 Millionen Tonnen Phosphate und 250 Millionen Tonnen Nitrate auf den Meeresboden liegen. Wie Mis Petersen, Kopenhagen, mitteilt, haben neue ozeanographische Untersuchungen ergeben, daß sich unter dem Meereswasser bedeutende Erdölvorkommen befinden, die praktisch schon jetzt in Betrieb genommen werden könnten. Wenn wir diese unterseeischen Erdölvorkommen einmal erschließen, könnten wir damit noch für unermeßliche Zeiten jeden Bedarf decken.

Zu den Metallvorkommen im Meerwasser hat der schwedische Gelehrte Professor Nod- dack, Stockholm, noch einen interessanten Beitrag geliefert. Es ist bekannt, daß die Meerestiere, insbesondere die Fische, die im Meereswasser vorkommenden Metalle aufnehmen. Professor Noddack hat nun in jahrelangen Versudien die Gewichtsmengen an Schwermetallen bei den verschiedenen Fisdien festgestellt. Es hat sich dabei gezeigt, daß bestimmte Beziehungen zwischen der Menge der einzelnen Schwermetalle bestehen, die in größten Mengen in Meerestieren Vorkommen, während Gold in kaum mehr feststellbaren Mengen in Fisdien anzutreffen ist. Im einzelnen fand der schwedische Forscher in einem Kilo Fisditrockenstoff 330 Milligramm Eisen, 140 Milligramm Zink, 53 Milligramm Kupfer, 43 Milligramm Mangan, 30 Milligramm Nidcel, 12 Milligramm Arsen und 11 Milligramm Silber. Es waren demnach in einem Kilo Fisditrockenstoff 643 Milligramm oder gut ein halbes Gramm Schwermetalle enthalten. Welche Mengen das ergibt, zeigt am deutlichsten der jährliche Fischfang eines Landes. Professor Poulsen hat eine solche Berechnung für Dänemark durchgeführt und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen: In der jährlichen Fangmenge von 100.000 Tonnen Salzwasserfischen sind 13.000 Kilogramm Schwermetalle enthalten, und zwar 6600 Kilogramm Eisen, 2800 Kilogramm Zink, 1060 Kilogramm Kupfer, 860 Kilogramm Mangan, 600 Kilogramm Nickel, 240 Kilogramm Arsen, 220 Kilogramm Silber, 140 Kilogramm Titan, 100 Kilogramm Zinn,

80 Kilogramm Kobalt, 60 Kilogramm Kadmium, 32 Kilogramm Vanadin und rund 29 Kilogramm andere Metalle.

Die Salzgewinnung aus dem Meer ist ja uralt und wird auch heute noch, vor allem in der Bretagne in Frankreich praktisch betrieben. Wir wissen, daß die Tonne Meerwasser durchschnittlich 35 Gramm Salz enthält; würde man das Salz aller Meere gewinnen, so ergäbe es eine Menge von 14 Billionen Tonnen Salz, was eine Salzdecke von 150 Meter Höhe, über alle Kontinente verteilt, ermöglichen würde. Neben der Salzgewinnung ist die von Brom, Kupfer und Jod aus dem Meerwasser bis jetzt systematisch in Angriff genommen worden und wird vor allem an der Küste Frankreichs, Japans und Schottlands gepflegt. Der Rohstoff ist in diesen Fällen der gestrandete Seetang, der an diesen Küsten „geerntet“ wird. Während man bisher diese Algen des Meeres verbrannt hat, um dann Jod daraus zu gewinnen, ist man neuerdings dazu übergegangen, das Jod im Extraktionsverfahren unmittelbar aus den nicht veraschten Algen heranzuziehen. Dadurch hat man vor allem auch die organische Substanz des Seetangs erhalten, die ein geeignetes Appreturmittel für die Textilindustrie und einen guten Spezialleim ergab. Nach deutschen chemischen Forschungen enthielt die Alge neben Eiweißsubstanzen und Zellulose Mannit, Fukoidin und wasserlösliche Alginsäure, die der Zellulose nahesteht. Die neuesten Forschungen haben die Meeralgen auch für die Herstellung von künstlichen Textilien erschlossen. Es hat sich dabei ergeben, daß die Alginatviskose sich leicht verspinnen läßt. So konnte man eine Kunstseide aus Meeresalgen gewinnen, die neben dem guten Aussehen sich durch Reißfestigkeit und Wasserbeständigkeit auszeichnet. Versuche mit Seetang in Kupferoxydammoniak gelöst sind noch nicht abgeschlossen, sollen aber eine gute Kunstfaser erzielt haben.

Zahlreiche Forscher sind bemüht, unter den 5000 Algen arten diejenigen herauszufinden, die sich als Nahrungsmittel besonders eignen. Fast alle Algen sind infolge ihres hohen Gehaltes an Eiweiß und Stärke ein hochwertiges tierisches Nahrungsmittel. Darüber hinaus hat vorzugsweise Japan auch eine Reihe von Algenarten mit hohem Nutzen für die menschliche Ernährung eingesetzt. Auch für die pharmazeutische Heilmittelindustrie sind Algen durchaus wertvolle Rohstoffe. Und nicht zuletzt dürfte die Alge als Düngemittel Verwendung finden. Nach Ansicht deutscher Chemiker ist die Herstellung eines Futtermehls aus Meerestang durchaus möglich. Man könnte auf diese Weise unseren Böden die Stoffe wieder zuführen, die das Wasser in Jahrtausenden ausgewaschen und fortgeschwemmt hat.

Daß das Meer außerdem mit dem Fisch eine wesentliche Verbreiterung der Ernährungsgrundlage der Völker ermöglicht, bedarf keiner besonderen Erwähnung mehr. Die jüngst gelungene Isolierung von Fischeiweiß bedeutet eine wertvolle Ergänzung für technische Zwecke. Nachdem es gelungen ist, die Zellwollfaser zu animalisieren, hat man in dem Fischeiweiß einen weiteren wertvollen Rohstoff für die Wollgewinnung gefunden.

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