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Mehr als bloß ein Test für die Nationalratswahl

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Eine Woche vor der Nationalratswahl am 9. Oktober wählen mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer die Arbeiterkammertage.

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Eine Woche vor der Nationalratswahl am 9. Oktober wählen mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer die Arbeiterkammertage.

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Dieser Tage, ein wenig zu spät für jene, die urlaubsbedingt nicht mehr an ihrer Heimatadresse zu erreichen sind, flattert den Österreicherinnen und Österreichern ungewöhnliche Post ins Haus: mit dem bedeutungsschwangeren Vermerk „Achtung! Amtliche Mitteilung" versehen, beinhaltet das längliche Kuvert alle Informationen für die Ausübung des aktiven Wahlrechts bei den Arbeiterkammerwahlen am 2. und 3. Oktober 1994.

Spät, aber doch: auch in der gesetzlich verankerten Interessensver-tretung der Arbeitnehmer, den Arbeiterkammern, wird nun erstmals nach einem Wahlrecht gewählt, das zumindest von seiner Absicht her eindeutige Demokratisierungstendenzen erkennen läßt. Und dazu gehört auch die individuelle Information aller Wahlberechtigten über Einspruchsfristen, Wahlzeiten, Wahllokale und die Möglichkeit der Ausstellung einer Wahlkarte.

Denn während bislang die Wahlberechtigten mühsam über die Betriebe erhoben und bei den Wahlbüros der Arbeiterkammern gesammelt wurden, dienen nun die Daten der Sozialversicherungen als Grundlage für die Erstellung der Wählerevidenz. Neu ist daher auch, daß Arbeitslose, Präsenz- und Zivildiener, „Karenzurlauber" und Lehrlinge wahlberechtigt sind.

Unverändert bleibt die Struktur der Arbeiterkammern: gewählt werden die Arbeiterkammerräte auf Bundesländerebene in drei verschiedenen Wahlkörpern (Arbeiter, Angestellte, Verkehr); der jeweilige (Landes-)Arbeiterkammerpräsident wird von den Arbeiterkammerräten gewählt; der Präsident der Bundesarbeitskammer, derzeit Heinz Vogler (SPÖ), wird vom Bundesarbeitskam-mertag gewählt, der sich wiederum nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen in den (Landes-)Arbeiter-kammern zusammensetzt.

Die wahrscheinlich tiefgreifendste Änderung ist nur auf den ersten Blick Formsache: erstmals kann auch an einem Sonntag abgestimmt werden und erstmals werden flächendeckend Wahllokale außerhalb der Betriebe eingerichtet. Denn bislang mußten die Arbeitnehmer während ihrer Dienstzeit freigestellt werden, um ihr Wahlrecht ausüben zu können. Und in größeren Betrieben liefen die Wahlen quasi unter

Kontrolle der Betriebsräte ab.

Der Politologe Franz Sommer rechnet damit, daß die Neuerungen vor allem den kleineren Fraktionen zugute kommen werden, da die Sozialdemokraten nicht mehr in jenem Ausmaß wie bisher ihre hohe Organisationsdichte ausspielen werden können: „Tatsächlich läßt sich aber schwer abschätzen, wie sich die Neuerungen auswirken werden, da absolutes Neuland betreten wurde." Besondere Dramatik komme der Arbeiterkammerwahl insofern zu, als diese erstmals im unmittelbaren

Vorfeld einer Nationalratswahl stattfinde, meint Sommer im furche-Gespräch: „Ich rechne damit, daß dadurch die Wahlbeteiligung wieder steigen wird - und daß der Wahlkampf mit besonders hohen Einsatz geführt wird, da es sich keine Partei leisten kann, kurz vor der Nationalratswahl als Verlierer dazustehen."

Kein Wunder daher, daß etwa die Sozialdemokraten in Wien neben Heinz Vogler auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch als Spitzenkandidaten für den Wahlkörper „Arbeiter" ins Bennen schicken.

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