Die Händel-Bearbeitungen von Mozart waren zwar reine Brotarbeit mit dem Zweck, das notleidende Budget der Familie ein wenig aufzubessern, sie geben uns aber doch ein deutliches Bild von den Bedürfnissen des Wiener Konzertbetriebes um 1790 und der Gesohmacksausrieh-tung der Kavaiiersgesellschaft, für die Gottfried van Swieten die Bearbeitung des „Messias“ bestellte. Die Bemühung, die barocke Pracht durch graziöse Eleganz und Leichtigkeit der Linien und Formen zu überwinden, tot allenthalben deutlich. Flöten, Oboen und Klarinetten dienen der empfindsamen Ausdeutung der Stimmung.
Die Beatles und die Rolling Sto-nes, Viscontis „Götterdämmerung“ und Oscar Wildes Bekenntnis zum „Abnormen im Leben, das als einziges in einem normalen Verhältnis zur Kunst steht“, sind — nach des Komponisten Horst Hornung eigenem Bekenntnis — die Wurzeln seines „Konzerts für einen Sprecher und zehn Musiker“, das den vieldeutigen Titel „Through the eyes of a blind sons sun“ trägt. Man hörte das interessante Stück, das in satirischer und parodistischer Weise Eigenheiten der musikalischen Avantgarde ebenso aufs Korn nimmt wie die Unarten der Schnulzensänger, mit denen
Von den drei Stücken des jüngsten Ballettabends der Staatsoper hat Aurel von Milloss zwei mit jungen Kräften (Solisten und Corpsmitgliedern) neu besetzt, um diesen Gelegenen zu geben, sich für Protagonistenpartien zu qualifizieren. Die hingebungsvolle Mühe, die eine solche, vom Publikum meist als „zweite Besetzung“ abgetane Maßnahme allen Beteiligten abfordert, kann vom Außenstehenden kaum erfaßt werden. Die erzieherische Bedeutung dieser von Milloss mit dankenswerter Intensität gepflegten Gewohnheit kann kaum hoch genug eingeschätzt werden.Die Resultate sind denn auch zumeist
Die Bregenzer Festspiele wenden sich an ein Publikum, das zum „Schauen gekommen ist“ und „am liebsten sehen“ möchte. Dem großen Strom der Sommerpilger zwischen Süddeutschland, Italien und der Schweiz soll eine Augenweide geboten werden. So erweist sich die Seebühne mit ihren imponierenden Möglichkeiten für farbenprächtige Umzüge, bewegte Statistenaufmärsche, Lichteffekte und Feuerwerke, trotz der ihr anhaftenden akustischen Mängel, als der eigentliche Anziehungspunkt für die nicht allzu anspruchsvollen Touristenmas-sen, während das Kornmarkttheater für intime Reize
Der Ballettabend der Staatsoper mit fünf Choreographien von Aurel von Millos ist nun in sämtlichen Solistengruppen doppelt besetzt. — Der intellektuelle Kern seiner Gedankengänge kann von jedem seiner Tänzer erfaßt werden, es setzen sich jedoch in der Umwandlung der formalen Konzeption in Bewegungsabläufe die individuellen Eigenheiten der Tänzer in einem so wesentlichen Ausmaß durch, daß Stimmungsgehalt und Gewichtung der einzelnen Partien vielfach verändert und verschoben werden.Während Ludwig M. Musil in „An die Zeiten“ den Ausbruch reinigender Kräfte mit priesterlicher
Mit ihrer neuen Mikrpphonoper „Pupofon" stellten Erwin Piplits und Dieter Kaufmann im Museum des XX. Jahrhunderts Möglichkeiten und Grenzen eines von ihnen neu kreierten Genres zur Diskussion.Die verwunderte Frage des jungen Heinrich von Kleist an den Marionettenspieler, er könne nicht glauben, „daß in einem mechanischen Gliedermann mehr Anmut enthalten sein könne, als in dem Bau des menschlichen Körpers" wird durch die Puppen von Piplits ganz im Sinn von Kleists Gesprächspartner bejahend beantwortet, obwohl diese Gebilde aus Styroporkugeln, Blechka- nistem und Stangen oder aus
„Ich habe sechzig Schüler zwischen siebzehn und siebzig Jahren“, stellt Corneille fest, der in der Internationalen Som- merakademie für bildende Kunst auf der Festung Hohensalzburg eine Klasse für abstrakte Malerei leitet, „ich habe keine Erfahrung in der Erteilung von Unterricht, habe nie an einer Akademie gelehrt, aber mit meinen Schülern verstehe ich mich ausgezeichnet.“ Die jungen Herren mit Bart und die Mädchen in Jeans und fleckigen Kitteln, die eifrig an der Arbeit sind, nicken zustimmend. Es herrscht eine kameradschaftliche Atmosphäre, die weit von jedem Akademiebetrieb entfernt ist. So war es in der abstrakten Klasse schon in den fünf Jahren, in denen sie von Emilio Vedova geleitet wurde. Damals war die Zeit der großen Unruhe unter den Studenten, die sich in Happenings Luft machte, an die der Leiter der Akademie, Professor Stuppäck, der sein dorniges Amt 1963 von Oskar Kokoschka übernommen hat, mit Schaudern zurückdenkt.
Die Protagonisten der früheren Romane von Hubert Fichte — Detlev und Jäcki — begegnen uns in seinem neuen Buch „Detlevs Imitationen .Grünspan“ “ wieder. Sie sind nunmehr zwei Seiten der gleichen Figur, zwei gegensätzliche Existenzformen derselben Person. Der Hamburger Mittelschüler Detlev, ein Mischling ersten Grades, kehrt aus einem bayrischen Kinderheim nach Hamburg zurück, erlebt dort die Bombennächte, die Brände, das Kriegsende und die Hungerjahre bis zur Währungsreform. Als Kinderdarsteller in Behelfstheatern erwirbt er für sich und seine Mutter in höchst ehrbarer,
„Anlässe für die möglichen Erfahrungen des Lesens” möchte Claus Bremer mit seinen Texten schaffen. In einem sorgfältig ausgewählten Band des Luchterhand-Verlags legt er stilistisch höchstunterschiedliche „Kunststücke” aus den Jahren 1949 bis 1969, also aus fast einem Menschenleben, vor. Es handelt sich um „Montagetexte, erste Provokationen zum Auseinandemehmen, zum Ent- drehen, Richtigstellen, Akzentsetzen”.Die Kommentare, die der Dichter seinen Texten beifügt, sind nicht eigentlich literarische Erörterungen, obwohl ihre sprachliche und literarische Qualität sich nur dem
„Seit 1965 ig bei Rowohlt die Erste Internationale Anthologie Happenin g-FluxiShvon Becker und mir erschien, veümderten sich auch die Happenings.“ Diese Feststellung steht als Motto über dem neuen Buch „Aktionen“ von Wolf Vostell. Die Art dieser Veränderung wird an verschiedenen Beispielen näher untersucht. Als Exempel dienen: die Demonstrationsformen der Berliner Studentenbewegung, die Studentenrevolte in Berkeley und der Pariser Maiaufstand. Bei diesen „Aktionen“ habe es — nach Vostell — zum erstenmal (sie!) keinen Unterschied zwischen Leben und Kunst gegeben.
„Was in den Zeichen nicht zum Ausdruck kommt, das zeigt ihre Anwendung.“ Diese Feststellung von Ludwig Wittgenstein hat Gerhard Rühm als Motto über seine sprachlichen Experimente der fünfziger Jahre gestellt. An Hand seines neuen Bandes „Gesammelte Gedichte und visuelle Texte“, der Arbeiten aus den Jahren 1952 bis 1969 vereinigt, kann die Entwicklung dieses interessanten Dichters und unruhigen Experimentators gut verfolgt Werden. Gerhard Rühm hat selbst für einen erklärenden Zusatz zu dem Wittgenstein-Zitat gesorgt: „Die Trennung von Inhalt und Form ist hinfällig: etwas
„Die Ordnung der Sprache schwingt zwischen dem flüchtigen Wirbel des Artikulierens, dem Vertonen des im Augenblick gefaßten Materials und dem Scherensystem von Bedeutungen, dessen Elemente konventionell festliegen, das mit Hilfe von Erinnerung und Erwartung das nun Gemeinte identifiziert und es aus der vagen Allgemeinheit, in der sich alles Isolierte befindet, als Bestimmtes um so zwingender herausscheidet, je weiter sich die Glieder der Bedeutungsschere zurück und voraus erstrecken.“ Diese Darstellung wurde von Franz Mon 1960 in der Zeitschrift „movens“ getroffen. Erklärend fügte
Die „konflgurationen, Jahrbuch für Literatur und Kunst“ erscheinen in diesem Jahr zum fünftenmal. Es spricht für die Qualität der vorangegangenen Hefte (1965 bis 1969), daß immerhin drei schon vergriffen sind. Das ist ein hoher Prozentsatz, auf den die Herausgeber — Alois Vogel, Alfred Gesswein, Peter Baum — mit Recht stolz sein können.Seit Anbeginn ihres Erscheinens haben sich die „konflgurationen“ einen erfreulichen Grad von Unabhängigkeit von den ,,-ismen“, die in den letzten Jahren den Kunst- and Literaturmarkt unseres Landes bestimmt haben, bewahrt Sie vertreten weder
Tolstoj und Dostojewskij als christliche Dichter begreifen zu wollen, ist ein utopisches Beginnen. Der evangelische Theologe Martin Doerne, der bis 1953 systematische Theologie an der Universität Halle las und von 1954 bis zu seiner Emeritierung 1968 den Lehrstuhl für praktische Theologie in Göttingen innehatte, ist sich dieser Tatsache wohl bewußt.Er sieht in beiden Dichtern eine bisher wenig genutzte Orientierungshilfe für die gegenwärtige Selbstüberprüfung der christlich-kirchlichen Tradition. Als Zeugen für die Richtigkeit dieser Meinung ruft er vor allem Albert Camus auf, der im
Die Darstellung und Erfassung der Modelle und Mechanismen der zeitgenössischen Trivialliteratur ist ein schwieriges und zugleich faszinierendes Unternehmen. Interessenten haben nun große Hilfe erfahren. Elfriede Jelinek hat die sich anbietenden Modelle in ihrem jüngsten Roman „Wir sind Lockvögel, Baby!“ gesammelt und sich bei dieser Sammlung den vorgegebenen Mechanismen unterworfen. Das Modellbuch liegt nunmehr vor
„DIE FAHRT ZUR INSEL.“ Von H. C. Ar t mann. Luchterhand, 280 Seiten, DM 10.—.Eine Sammlung der „Spiele, Szenarien, Pantomimen und Libretti“ von Hans Carl Artmann kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wer das Leben des Dichters und seine Gewohnheiten kennt, weiß nur zu gut, daß geheime Verstecke noch vergrabene Schätze bergen dürften. Schon Konrad Bayer hat festgestellt, daß „Der Tod eines Leuchtturmwärters“ (nicht eines „Leuchtturms“, wie Mario Hindermann in der „Redaktionellen Anmerkung“ irrtümlich angibt), wahrscheinlich für verloren gehalten werden
„UNBEKANNTE ZEICHNUNGEN alter Meister aus europäischem Privatbesitz.“ Von Charlotte von Pry-bram-Gladona. Prestel-Verlag, München. DM 58.—.Zeichnungen als Sammelobjekt treten immer mehr in den Vordergrund. Je astronomischer die Preise auf den großen Gemäldeauktionen in die Höhe schnellen, desto intensiver konzentriert sich das Interesse der Liebhaber mit der mittelstark besetzten Börse auf die Originalgraphik. Der Traum von der Zeichnung als „Sammelobjekt des kleinen Mannes“ ist natürlich längst ausgeträumt. Selbst Blätter mittlerer Qualität kosten heute nicht
„OFFENE GEDICHTE." Von Ta- deusz Rözewicz, übersetzt von Karl Dedecius, Carl Hansen Verlag. München 1969. DM 16.80.Die „Offenen Gedichte“ von Tadeusz Rözewicz, die der Hanser-Verlag in einer gut lesbaren und gut sprechbaren Übersetzung von Karl Dedecius vorlegt, stammen aus den Jahren 1945 bis 1969. Sie sind nach Zeitepochen in zehn Abschnitte geteilt, die zumeist zwei Jahre umfassen. Nur der, dritte Abschnitt (1949— 1954) ist mehr als doppelt so lang. Jeder Abteilung sind zehn Gedichte zugeordnet. Wir müssen annehmen, daß die Epoche 1949—1954 lyrisch wenig ergiebig war. Der
Aus Deutschland erreicht uns die seltsame Nachricht, daß die bekannte Inhaberin der über das gesamte Bundesgebiet verbreiteten Ladenkette für „diskrete Artikel“, Frau Beate Uhse, durch ihren Rechtsbeistand den Staatsanwalt des Landes Hessen aufgefordert habe, die Beschlagnahme des im Kohlkunstverlag erschienenen Buches „Papa und Mama“ von Otto Mühl, einem Protagonisten der Wiener Happening-Kultur, zu veranlassen. Wir dürfen wohl von der Voraussetzung ausgehen, daß weder geläuterter Kunstgeschmack noch verfeinertes sittliches Empfinden die wirtschaftswunderliche