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Dreimal gekräht und noch immer nicht verraten

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Die „konflgurationen, Jahrbuch für Literatur und Kunst“ erscheinen in diesem Jahr zum fünftenmal. Es spricht für die Qualität der vorangegangenen Hefte (1965 bis 1969), daß immerhin drei schon vergriffen sind. Das ist ein hoher Prozentsatz, auf den die Herausgeber — Alois Vogel, Alfred Gesswein, Peter Baum — mit Recht stolz sein können.

Seit Anbeginn ihres Erscheinens haben sich die „konflgurationen“ einen erfreulichen Grad von Unabhängigkeit von den ,,-ismen“, die in den letzten Jahren den Kunst- and Literaturmarkt unseres Landes bestimmt haben, bewahrt Sie vertreten weder „Gruppen“ noch „Schulen“. Auch im Heft 1970 sind die Obergötter des Wiener ,,phantastAschen Realismus“ ebensowenig vertreten wie die Hausmaler der Galerie nächst St. Stephan. Man findet weder einen Angehörigen der „Wiener Dichtergruppe“ noch einen ständigen Mitarbeiter der „Manuskripte“. Aus dem Kreis um Doderer ist in diesem Jahr Peter Marginter mit einer höchst skurrilen Geschichte „Der Wahlverwandte“ vertreten, aus dem Freundeskreis um Gerhard Fritsch, dem allzufrüh Dahingegangenen, Kurt Benesch mit einer intelligenten Persiflage auf den modernen Literaturbetrieb „Mutmaßungen über Kasimir von B.“. Beiden Dichtem begegnen wir zum zweitenmal in den „konflgurationen“. Der Name Benesch ist mit dem ersten Heft (1965) verbunden, Marglinter war erstmalig 1967 in den „konfiguationen“ zu finden.

Aus der Urzelle des „Plan“ stammt Hans Heinz Hahnl, dessen „Dreimal gekräht und noch immer nicht verraten“ und „Beim Anhören der Passion am Karfreitag“ eine merkwürdige Synthese aus. T. S. Eliot und Charles Olson zu bilden scheinen.Zu den sehr jungen, sehr bedeutenden Erscheinungen am österreichischen Dichterhimmel zählt Peter Henisch („Kindheit“, „lazarus“) Auch er ist ein erbarmungsloser Kenner und Schdlderer der „Conditio humana“ von 1970.

Die ältere Generation vertritt diesmal Wilhelm Szabo, dessen Persönlichkeit in ihrer schlichten Würde und klaren Integrität aus der Geschichte der österreichischen Lyrik zwischen Weinheber und Artmann kaum weggedacht werden kann.

Die Problematik der zeitgenössischen Musik, der die „konflgurationen“ — im Gegensatz zu anderen „Literaturzeitschriften“ in jedem Jahr einen oder zwei Essays widmen, wird diesmal bei einem besonders heißen

Eisen angepackt. Irmfried Radauer umreißt die Möglichkeiten der „Anwendung des Computers beim Komponieren“ in einer höchst instruktiven Eigeninterpretation zu seiner Komposition „Tetraeder“. Die Diagramme zu diesem Essay bilden einen überaus reizvollen Kontrast zu den Graphiken von Hoflehner, Stau-dacher, Herzele, Korab, Watzl und anderen, die den höchst anspruchsvollen, auch drucktechnisch vorbildlichen Bildschmuck des Heftes darstellen.

Unter den Aufsätzen zur zeitgenössischen Literatur darf eine geistvolle, an der Semantik von Wittgenstein geschulte Interpretation der Novelle „Watten“ von Thomas Bernhard aus der Feder von Hans Rochelt als besondere Zierde des Heftes angesprochen werden.

Gerade in ihrer bunten Vielfalt sind die „konflgurationen“ eine sehr reizvolle Bereicherung des österreichischen Literaturmarktes. Es darf der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß die Subventionspolitik der öffentlichen Hand uns dieses eigenwillige kleine Jahrbuch noch iurch viele Jahre erhalten möge.

,,KONFIGURATIONEN“, JAHRBUCH FÜR LITERATUR UND KUNST, herausgegeben von Alois Vogler, Alfred Gesswein, Peter Baum. Auslieferung A-1020 Wien, 112 Seiten, S 56.—.

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