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Zellstoff- und Papiererzeugung in Lenzing seit 70 Jahren

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Aus einer kleinen alten Sägemühle an der Ager ist im Verlauf der letzten 70 Jahre die größte Zellstoffabrik Österreichs mit einer bedeutenden Papierfabrik entstanden.

Die ältesten Lenzinger erinnern sich noch an die Starlingermühle. Ihr „Herrenhaus” steht heute noch als Betriebsbüro winzig klein zwischen Kochergebäude und Bleicherei. Das Haus selbst ist sicher noch älter als die Jahreszahl 1850 über der Eingangstür. Oft ist das Gebäude renoviert worden, doch man blieb immer bemüht, die ursprüngliche Form zu erhalten zur Erinnerung an den bescheidenen Anfang eines Großunternehmens.

In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Starlingermühle versteigert und von einem Papierfabrikanten erworben, der die günstige Lage für eine Zell- Stoff- und Papierfabrik erkannt hatte. Das Holz kam aus dem Mond- und Atterseegebiet durch Flöße nach Lenzing und der Anfall in dieser Gegend reichte für den damaligen Bedarf vollkommen aus. Gutes Fabrikationswasser lieferte der Attersee; das vorhandene Agerwehr ergab nach Ausbau 250 PS Wasserkraft, für damals eine beträchtliche Energiemenge.

Die Zellstoffabrik wurde in den Jahren 1891/92 errichtet und erzeugte damals im Tag zirka 51 Zellstoff gegenüber jetzt zirka 2001. Bereits ein Jahr nach der Betriebsaufnahme wurde auch eine für damalige Verhältnisse große Einzylinder-Papiermaschine aufgestellt, wobei die Holzschleiferei in Lenzing errichtet wurde.

Das Geschäft muß gut gegangen sein, denn in den Jahren 1894/95 wurde von demselben Fabrikanten flußaufwärts eine zweite Holzschleiferei und Papierfabrik, das Werk Pet- tighofen mit zwei Papiermaschinen errichtet. In den folgenden Jahren wurde noch die Raudaschlmühle bei Schörfling erworben und zu einem größeren Sägewerk ausgebaut.

Der Verkauf der Papiere erfolgte zum Teil im Inland, zum Teil wurde nach England,

Italien sowie nach Übersee exportiert. Nach dem Krieg hat das Unternehmen mehrmals seinen Besitzer gewechselt, bis 1935/36 fast alle Aktien von der Bunzl-Holding-Gesell- schaft erworben wurden.

Der Ausbau der Kocherei mit zwei Zellstoffkochern von je 300 m3 mit moderner Aufbereitung und einer Bleichanlage erfolgte in den Jahren 1937/38. Die Zellstoffproduktion betrug damals 28.0001 im Jahr.

Im Mai 1938 mußte das Unternehmen an die Thüringische Zellwolle AG verkauft werden, die in unmittelbarer Nähe ein Zellwollewerk errichtete.

Im Mittelpunkt stand die Zellwolleerzeugung für die Kriegswirtschaft. Zellstoff- und Papierfabrik waren nur als Rohstofflieferanten für die Zellwolle interessant.

Nach dem Kriegsende erfolgte in den Jahren 1945/46 ein langsames Wiederanfahren der zu Kriegsende stillgelegten beiden Betriebe noch unter dem Namen „Lenzinger Zellwolle- und Papierfabrik AG”. 1949 erfolgte die Rückstellung der Zellstoffabrik an die Firma Bunzl und es begann der Ausbau des Unternehmens, vornehmlich der Zellstoffabrik.

Heute werden in Lenzing fast 80.000 t Zell-

Stoff im Jahr erzeugt, daneben 12.0001 Papier und 30.000 m3 Schnittholz. 80 Prozent der Zelluloseerzeugung sind Buchenkunstfaserzellstoff, der zu einem großen Teil an die benachbarte „Chemiefaser Lenzing AG” geliefert wird, die restlichen 20 Prozent sind Fichtenzellstoff, hauptsächlich für die eigene Papierfabrik.

Lenzing ist die einzige Zellulosefabrik in Österreich, die nach dem modernen Magnesiumbisulfitverfahren arbeitet, und es werden 93 Prozent der anfallenden Ablauge erfaßt, eingedickt und in eigens dafür konstruierten Dampfkesseln verbrannt.

Von dem Lenzinger Verkaufszellstoff werden rund 30 Prozent exportiert, von Papier zirka 50 Prozent, von Schnittholz zirka 90 Prozent.

Wer Lenzing vor 20 Jahren gekannt hat, wird es heute kaum wiedererkennen. Doch ist die Entwicklung dieses Werkes noch nicht abgeschlossen, weitere Qualitätsverbesserungen und Kostensenkungen durch Rationalisierung sind Lenzings nächste Zukunftsprobleme.

p. r.

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