6665691-1960_32_12.jpg
Digital In Arbeit

Zellwolle aus Osterreich

Werbung
Werbung
Werbung

Wer den Gründen des höheren Wohlstandes in Österreich nach 1945 nachgehen will, wird vor allem die weitaus höhere Industrieproduktion beachten müssen: sie hat fast die dreifache Höhe der in der Ersten Republik erreicht. Diese Steigerung ist nicht nur auf das Wachstum der alten Industrien zurückzuführen — eine Reihe neuer und sehr bedeutungsvoller Industrien blieben (zumeist mit österreichischem Geld gebaut) nach den chaotischen Verhältnissen der Besetzungszeit von 1938 bis 1945 zurück und verstärkten das österreichische Industriepotential.

Von besonderer Bedeutung ist, daß sich vor allem auf dem Gebiete der Rohstoffversorgung ein großer Wandel vollzogen hat. Während zum Beispiel in der Ersten Republik Österreich nahezu den gesamten Ölbedarf einführen mußte, wodurch etwa ein Viertel seiner Devisen aufgebraucht wurde, ist dies heute kaum noch der Fall. Auch auf dem Gebiete der Versorgung mit Eisen, Stahl und Aluminium hat sich eine gründliche Änderung vollzogen. Auf dem chemischen Sektor wird vieles heute in Österreich erzeugt“, “wä~s “vordem mTf“ eirteTrT “s'ffif““gfößefi Devisenaufwand eingeführt werden mußte. Zu den Werken, die den heutigen Rohstoffbedarf Österreichs im Inland sicherstellen, gehört als eines der markantesten die Zellwolle L e n z i n g, durch die die Rohstofflage der österreichischen Textilindustrie von Grund auf geändert wurde. Vordem gab es nur die Fabrik in St. Pölten, die Kunstseide erzeugte. Alle anderen textilen Rohstoffe mußten importiert werden und belasteten die österreichische Devisenbilanz. Lenzing hat auf seinem Gebiet als Rohstoffversorger der österreichischen Textilindustrie eine außerordentlich bedeutungsvolle Änderung der Wirtschaftsstruktur herbeigeführt. Heute stellt die österreichische Zellwolleindustrie unserer Wirtschaft 45 Prozent ihres Wollbedarfes gegen Inlandszahlung zur Verfügung. Aber nicht nur das: es ist der österreichischen Zellwolleindustrie gelungen, nicht so sehr durch Erhöhung der Kapazität, als durch Maßnahmen der Rationalisierung, ihre Produktion von Jahr zu Jahr in einem sehr bedeutenden Ausmaß zu steigern, so daß heute die österreichische Fabrik auf ihrem Gebiete die größte in Europa ist und die Erzeuger der anderen Länder mit großem Abstand überholt hat. Es gibt wenige Zellwollefabriken in Europa, die eine Jahresproduktion von 30.000 t überschreiten, während die Produktion Lenzings im Jahre 1960 wahrscheinlich 54.000 t erreichen wird. Da der für Zellwolle benötigte Rohstoff vor allem Zellulose ist, die aus österreichischen Schlägerungen gewonnen wird, ermöglich*.-s “dfr^llWtleindtrstrie Österreichs, an Stelle der für die österreichische Wirtschaft nicht ser|r vorteilhaften Holzexporte diese in einem außerordentlich veredelten Produkt und damit zu weitaus höheren Preisen durchzuführen. Gerade der Holzreichtum unseres Landes gibt hier einen Vorsprung. Die Verhältnisse bei uns sind unvergleichlich günstiger als in anderen Ländern, welche — wie etwa Japan — die für die Zellwolle nötige Zellulose über ungeheure Entfernungen heranholen müssen. Die so erreichte gute Kostenlage ermöglichte eine elastische Preispolitik in der ganzen Welt. Wenn auch auf dem einen oder anderen überseeischen Markt immer wieder Versuche unternommen werden, durch Preiskämpfe die österreichische Zellwolle zu vertreiben, hat es Lenzing verstanden, durch Beharrlichkeit und eine anpassungsfähige Verkaufstaktik alle diese Versuche zunichte zu machen, so daß sie heute nahezu in allen überseeischen Ländern ein beachtenswerter Faktor geworden ist. Das geht schon daraus hervor, daß die österreichische Zellwolleindustrie mit ihren 31.000 t Export im Jahre 1959 an zweiter Stelle hinter Deutschland stand, das den ersten Platz innehat. Es ist auch gelungen, auf so großen Märkten wie Nordamerika und Südafrika eine sehr beachtenswerte Stellung zu erobern.

Dieses, das Produktionsvolumen und damit die Kostensenkung fördernde Anwachsen der Produktion hatte den stärksten Einfluß auf die beste Versorgung des Inlandsmarktes, auf den Lenzing — als österreichischer Produzent — selbstverständlich sein Hauptaugenmrek richtete. Hier ist es in einer nicht immer leichten, aber doch erfolgreichen Weise durch Zusammenarbeit mit allen österreichischen Verarbeitern gelungen, zu Erfolgen zu gelangen, die sich nicht nur in der Qualität, sondern auch im Absatz äußerten, da die Exportfähigkeit Österreichs dadurch sehr gewonnen hat. Wie sehr Lenzing auf seine inländischen Weiterverarbeiter bedacht war, geht auch daraus hervor, daß es im Jahre 1959 an verschiedenen Typen bei ungefärbter Ware 155, bei gefärbter Ware 344, zusammen also seinen Weiterverarbeitern 4 9 9 verschiedene Typen zur Verfügung stellen konnte, die eine vielseitige Verwendungsmöglichkeit der Zellwolle ermöglichten. Es ist nicht verwunderlich, daß auch im Krisenjahr 1958 Österreich als einziges Land der Welt seine Zellwolleproduktion aufrechterhalten konnte. Während das Jahr 1957 einen Ausstoß von 46.448 t brachte, wurde in Lenzing zur gleichen Zeit, in der in allen anderen Ländern Rückschläge bis zu 50 Prozent eintraten, auch im Jahre 1958 die Produktion auf einer Höhe von 46.303 t gehalten. Im Jahre 1959 stieg sie auf 50.767 t und wird im laufenden Jahr an etwa 54.000 t heranreichen.

Auch dem Ausbau von Wiedergewinnungseinrichtungen wurde in den letzten Jahren besondere Beachtung geschenkt, weil auch hier ein wichtiges Element der Kostensenkung gegeben war, und durch die Schaffung einer modernen Rückgewinnungsanlage für Schwefelkohlenstoff, einer in Lenzing patentierten Rückgewinnung für Viskose und durch sonstige Maßnahmen war es möglich, zu sehr beachtlichen Ersparnissen zu kommen. Auch im Einkauf — bei einer Materialquote von etwa 70 Prozent spielt er natürlich eine ausschlaggebende Rolle — wurden in den letzten Jahren sehr ins Gewicht fallende Ersparnisse erzielt, die möglich waren, weil Lenzing mit einem seiner großen Rohstofflieferanten, der Lenzinger Zellulose- und Papierfabrik, auch örtlich in sehr naher Beziehung steht, so daß bei beiden Betrieben in den letzten Jahren die Entwicklung sehr günstig war. Aber auch bei allen anderen Lieferanten haben fortdauernde Bemühungen eine bessere und billigere Anlieferung eestattet. Da Lenzing als Hinterland nur kleine Orte hat, war es notwendig, auch auf dem Gebiete des Wohnungsbaues außerordentliche Anstrengungen zu machen, so daß mit etwa 1000 Werkswohnungen Lenzing iedrm dritten Arbeiter eine moderne und gesunde Wohnung zur Verfügung stellt. Es ist zu hoffen, daß diese Entwicklung sich fortsetzt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung