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CHEMIEFASER LENZING VERSTÄRKT ABSATZFÖRDERUNG

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Bei einer im Oktober abgehaltenen Pressekonferenz bewies die Chemiefaser Lenzing AG, daß man in dem oberösterreichischen Unternehmen nicht gewillt ist, sich von der bereits seit zwei Jahren anhaltenden Konjunkturschwäche bei Chemiefasern beeinträchtigen zu lassen. 85% aller österreichischen Chemiefasern kommen aus Lenzing - und das Unternehmen ist mit einer Jahreskapazität von 100.0001 Viskosespinnfasern als größter kontinentaleuropäischer Produzent zellulosischer Chemiefasern Marktleader.

Im Bestreben, die Wettbewerbspositionen zu stärken, wurde die Forschung intensiviert, die Absatzförderung verstärkt und zu einem flexiblen Instrument einer modernen Verkaufspolitik ausgebaut. In Zukunft soll auch die Anwendungstechnik und die Kundenberatung weiter intensiviert werden.

Die jüngste Entwicklung auf dem Fasersektor ist „Lenzing viscose FR” (Flame Retardant), eine schwer entflammbare Faser, die vor etwa einem Jahr auf den Markt gebracht wurde und bereits in verschiedenen Textilbereichen Eingang gefunden hat. Dank der guten physiologischen Eigenschaften wird sie auch bereits auf dem Berufskleidungssektor für flammgefährdete Arbeitsbereiche eingesetzt. Das entsprechende Gewebe wurde mit der Firma Herrburger & Rhomberg, Innsbruck, entwik- kelt.

Als weitere Einsatzgebiete kommen Matratzenstoffe, Bettwäsche und Nachtbekleidung in Betracht. „Lenzing viscose FR” wird aber auch im Dekorbereich, vor allem für bedruckte Vorhänge, Möbelbezugsstoffe, Tischwäsche, und in technischen Ausstattungsbereichen eingesetzt. Die Nachfrage nach schwer entflammbaren Textilien ist in Österreich und vor allem im Ausland groß.

Die seit einigen Jahren auf den Markt gebrachten „Lenzing acryl-Fa- sern” haben sich in Österreich auf dem Gebiet der Heimtextilien, wie Dekorstoffe und Tischwäsche usw. einen festen Platz gesichert.

Das Unternehmen hat von Anfang an durch intensives Marketing und enge Kooperation mit den Kunden seine Position auf dem Acrylsektor zielbewußt ausgebaut, so daß der Begriff „Lenzing acryl” heute auf dem österreichischen und ausländischen Markt bereits Markencharakter besitzt.

Seit 1975 jedoch hält die negative Entwicklung in der Chemiefaserindustrie an. Wie der kaufmännische Vorstandsdirektor der Chemiefaser Lenzing AG, Assessor Reimar Schlie, erklärte, ist nach einer kurzfristigen leichten Besserung der Situation im Jahre 1976 dieser Industriezweig heute wieder stark unter Druck geraten.

Die textile Konjunktur in Westeuropa stagniert. Hohe Inflationsraten von 10 bis 20 Prozent wirken langfristig nicht konsumfördemd, denn parallel dazu laufen hohe Kreditzinsen’ für Konsumentenkredite. Auch in Österreich wird die Verteuerung der Konsumentenkredite auf 12 Prozent nicht konsumhebend wirken. Die Einfuhren von Textilien nach Westeuropa haben besonders in den letzten Jahren stark zugenommen. 1971 waren Ein- und Ausfuhren noch ausgeglichen;

1975 war bereits ein Textilpassivum von 400.000 t zu verzeichnen, wobei die Hauptlieferländer Hongkong, Indien, Pakistan, Südkorea und Taiwan waren. Die großen Überkapazitäten in der westeuropäischen Chemiefaserindustrie — ausgenommen Viskosefasern -, die in den letzten fünf Jahren ausgebaut wurden, haben zur Folge, daß die Kapazitätsauslastung heute nur noch 60 bis 70 Prozent beträgt, was den Chemiefaseruntemehmern Millionenverluste einbringt. In der gleichen Zeit haben aber Entwicklungsländer wie Südkorea und Taiwan ihre Synthesefaserkapazität um 450 Prozent oder 650.000 t ausgebaut. In den nächsten drei Jahren dürften weitere

200.000 t jährlich hinzukommen, obwohl die heutigen Kapazitäten bereits bis zum Jahre 1982 den Markt Westeuropas versorgen könnten.

Die Folgen dieser negativen Wirtschaftsfaktoren: Je mehr Marktanteile die Konkurrenz aus Niedrigpreisländern erobert, desto mehr büßt die eigene Industrie Marktanteile im Inland ein. Ein Ausweichen in die Exporte ist für die heimische Chemiefaserindustrie durch die Währungssituation imriier schwieriger.

Hand in Hand mit dem Verlust von Marktanteilen geht ein rapider Preisverfall. Infolge der Uberkapazitäten sind die Produzenten bereit, beinahe jeden Preis zu akzeptieren, um die drückenden Lager abzubauen, welche die Rentabilität infolge der hohen Kapitalbindung weiter gefährden.

Es stellt sich nun die Frage, wie die Situation bereinigt werden kann. Eine Besserung der textilen Nachfrage wird vorerst europaweit nicht erwartet, so daß man mit einer kurzfristigen, positiven Lageveränderung nicht rechnen kann. Eine Revision des Multifaserabkommens könnte einen gewissen Erfolg im Kampf gegen die Deroutierung der Märkte durch die Bilügpreisländer bringen. Die Lage in der Viskosefaserindustrie ist im Vergleich zur Synthesefaserindustrie etwas verschieden.

Die Nachfrage konzentriert sich auf nur wenige, leistungsfähige moderne Fabrikationsstätten, unter denen Lenzing eine führende Stellung einnimmt Und bei allen Preisschwankungen auf dem Baumwollmarkt dürfte sich aber die Baumwolle wieder auf einem höheren Preisniveau stabilisieren. Insgesamt ist man daher in der Viskosefaserindustrie für die Zukunft eher optimistisch gestimmt. neb

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