6875059-1978_40_29.jpg
Digital In Arbeit

Chemiefaser Lenzing AG

Werbung
Werbung
Werbung

Das oberösterreichische Unternehmen in der Nähe des Attersees hat sich in den vier Jahrzehnten seines Bestehens zu einem profilierten Textilfasererzeuger entwickelt und betreibt derzeit die größte Viskosefaserfabrik Europas. Mit 100.000 t Viskosespinnfasern wird das Unternehmen im Jahre 1978 die höchste Produktionsmarke seit Bestehen des Unternehmens erreichen^ Zur Veranschaulichung, welch große Produktionsmenge dies ist, sei erwähnt, daß der gesamte Jahresverbrauch an textilen Spinnstoffen in Österreich - also Baumwolle, Wolle und künstliche Textilfasern - etwa die Höhe von der Lenzinger Viskosefasermenge erreicht. In einem Krisen- oder Notfall könnte Lenzing mit seiner Viskosefaserproduktion den Bedarf an textilen Rohstoffen weitgehend decken.

Textilfaser nach Maß

Die Viskosespinnfasern sind seit jeher als „Textilfasern nach Maß“ bekannt, weil sie je nach Bedarf und Einsatzgebiet als Baumwolltype oder Teppichfasertype, rohweiß oder spinngefärbt erzeugt werden können, so daß daraus feinste Wäsche-und Bekleidungsgewebe oder -ge-wirke wie auch schwere Stoffe für

Bekleidung und Heimtextilien hergestellt werden können. Der Einsatzbereich dieser Textilfasern ist viel größer als bei jeder anderen Naturoder Synthetikfaser. Der große Vorteil der Lenzinger ViskosespTnnfaser ist, daß sie natürlichen Ursprungs ist wie die Baumwolle, die nur in subtropischen Klimazonen gedeiht. Der Rohstoff der Viskosefasern ist reine Zellulose, aus der auch die Baumwolle besteht, und wird aus Buchenholz gewonnen. Diese „künstliche Baumwolle“ hat demnach alle guten Eigenschaften der in der Natur gewachsenen Baumwolle, ist sehr saugfähig, äußerst körperfreundlich und daher bekleidungsphysiologisch vollkommen unbedenklich. Sie hat gegenüber der Baumwolle aber den Vorteil, daß sie genau auf den späteren textilen Verwendungszweck „zugeschneidert“ werden kann und daß die „Wolle“ in allen gewünschten Farben auch spinngefärbt geliefert werden kann.

Das Unternehmen in Lenzing ist ständig bemüht, durch intensive For-schungs- und Entwicklungsarbeit neue Fasern für ganz besondere Einsatzgebiete aus dem naturgewachsenen Zellstoff zu entwickeln. Eine solche Neuentwicklung sind die hoch-saugfähigen Viskosefasern für die Watteindustrie, für sanitäre und me-

dizinische Einsatzgebiete. Für den textilen Bereich wurde vor etwa einem Jahr eine schwer entflammbare Viskosespinnfaser herausgebracht, die allen technischen und bekleidungsphysiologischen Anforderungen entspricht und vor allem für Berufsbekleidung an brandgefährdeten Arbeitsstellen, für Kinder- und Nachtbekleidung, Bettwäsche, Möbelbezugsstoffe und Dekorationsgewebe eingesetzt wird. Mit dieser neuen schwer entflammbaren Faser konnte in Zusammenarbeit mit österreichischen und ausländischen Textilfirmen in knapp einem Jahr gute Erfolge erzielt werden.

Modalfasern mit Zukunft

Als besonders zukunftsreich kann die Lenzinger Modalfaser „Hochmodul 333“ angesehen werden, die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt auf dem Markt ist und gerade in den letzten Jahren in den verschiedensten textilen Einsatzbereichen guten Eingang gefunden hat. Die Modalfaser wird ebenfalls auf dem natürlichen Zellstoff hergestellt und biete eine hervorragende Alternative zur Baumwolle, d. h. sie kann in Reinverarbeitung oder auch in Mischung mit Baumwolle für alle Bereiche der Wäsche-, Bettwäsche und Bekleidungstextilien eingesetzt werden. Sie gewinnt gerade in jüngster Zeit auch im Wirk- und Strickwarenbereich immer mehr an Bedeutung, sowohl bei Trikotagen als auch bei gestrickter Oberbekleidung. Auch hier sind Mischungen mit Baumwolle bereits obligat. Bei Mischungen mit synthetischen Fasern wie etwa Polyester und Acryl trägt der Modalanteil dazu bei, Textilien aus den an sich nicht saugenden Synthetiks körperfreundlich und hautsympathisch zu machen, so daß diese durch den Anteil

von Hochmodul 333 ein natürliches Tragegefühl erhalten.

Entwicklung nicht abgeschlossen - auch Synthetiks aus Lenzing

Die Weiterentwicklung der zellulosischen Textilfasern in Lenzing ist noch lange nicht abgeschlossen. Ständige Verbesserungen, Anpassung an die verschiedenen Einsatzgebiete und die Weiterentwicklung von Garnmischungen für bestimmte spezifische Einsatzgebiete gehören zum Programm der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens. Wenn die Chemiefaser Lenzing AG mit 100.000 t Jahresproduktion auch zu den größten Viskosespinnfasererzeugern der Welt gehört, so hat man sich in Lenzing auch bemüht, auf dem Gebiet der synthetischen Fasern eine entsprechende Produktionspalette anzubieten. Bereits vormehralslO Jahren wurde die Austria Faserwerke Ges.m.b.H. zusammen mit der Hoechst AG gegründet. Diese Tochtergesellschaft erzeugt die Polyesterfaser Trevira. Die Jahreskapazität liegt bei 21.0001, doch kann diese durch die derzeitige schwierige Absatzsituation besonders auf dem Synthesefasersektor nicht ausgefahren werden.

Vor rund fünf Jahren begann man in Lenzing mit der Erzeugung einer Polyacrylfaser (Lenzing acryl). Die Jahreskapazität liegt bei etwa 15.0001 Man hofft im Jahre 1978 eine Produktionshöhe von rund 12.000 t zu erreichen. Diese wollähnlichste Faser wird heute mehr denn je als Alternative zur Wolle, aber auch in Mischung mit Hochmodul 333 besonders im Strickwarenbereich eingesetzt. Insgesamt werden in den Lenzinger Betrieben über 120.000 t Textilfasern jährlich produziert; das sind

mehr als 80% der gesamten Textilfa-serproduktion Österreichs. Bedingt durch den relativ kleinen ,Wirt-schaftsraum müssen mehr als 2/3 der Lenzinger Fasern exportiert werden, was anderseits dem österreichischen Staat pro Jahr einen Nettodevisenerlös von über 1,2 Mrd. Schilling bringt.

Andere Produkte

Neben Textilfasern erzeugt die Chemiefaser Lenzing AG auch rund 115.000 t Zellstoff pro Jahr, der zum allergrößten Teil zu Viskosefasern verarbeitet wird, technische und graphische Papiere, Kunststoffolien und -folienfäden sowie daraus hergestellte Gewebe (Lenzingtex), Natriumsulfat und in einem der größten Sägewerke Österreichs, in Schörfling am Attersee, Schnitt- und Profilholz. Lenzing erzeugt auch Maschinen und Anlagen für die Herstellung und Weiterverarbeitung von synthetischen Folien sowie Faserprüfgeräte. Der Gesamtumsatz des Unternehmens beträgt rund 2,5 Mrd. Schilling. Nach wie vor ist das Hauptprodukt die Viskosefaser mit einem Anteil von annähernd 70% des Umsatzes. Lenzing beschäftigt rund 3800 Mitarbeiter, ist nach der Chemie Linz AG das große Chemieunternehmen Österreichs und der bedeutendste Wirtschaftsfaktor im Bezirk VÖckla-bruck.

Wenn auch die Chemiefaser Lenzing AG von den weltweiten Wirtschaftsrestriktionen und der Chemiefaserkrise nicht verschont geblieben ist und weltweit einen harten Konkurrenzkampf führen muß, so setzt das Unternehmen doch seine Hoffnung in der weiteren Zukunft vor allem auf die Viskosespinnfasern und Modalfasern, die auf längere Sicht im Zuge des doch immer steigenden Weltbedarfs an Textilfasern gute Absatzchancen haben werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung