Blind auf dem rechten Auge

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General Augusto Pinochet, von 1973 bis 1989 Diktator von Chile, ist verantwortlich für die Folterung, Tötung und das Verschwinden Tausender Chilenen. Die Diktatur Pinochets gilt als eine der grausamsten, die im Namen des Kampfes gegen den Kommunismus in Lateinamerika errichtet wurden - auch wenn sie friedlich abgelöst wurde.

Pinochet hat trotzdem mächtige Fürsprecher im Vatikan, die seine Folter- und Mordmethoden nicht gestört haben. Schließlich nahm der Diktator alljährlich am feierlichen Tedeum zum Jahrestag des Putsches gegen Allende teil, schließlich erließ er eine Verfassung, an der auch rechte Katholiken mitarbeiteten. Die offizielle Begründung für die jüngst erfolgte Intervention des Vatikans bei den Lordrichtern in London ist die Forderung nach "nationaler Versöhnung". Welch bessere nationale Versöhnung kann es geben, als einen fairen, demokratischen Prozeß, der den Opfern Gerechtigkeit widerfahren läßt? Oder zweifelt irgend jemand im Vatikan daran, daß Spanien Pinochet einen solchen fairen Prozeß machen wird?

Die merkwürdige Intervention des Vatikans wirft ein schiefes Licht auf die Einstellung der Kirche zu Demokratie und Menschenrechten. Glaubte man nach dem Zweiten Vatikanum, daß die Kirche ihren Frieden mit der Demokratie geschlossen habe und daß sie bei der Beurteilung von Diktaturen nicht länger auf dem rechten Auge blind bleiben werde, so bestärkt die Intervention für Pinochet die alte Blindheit.

Fatal ist die Fernwirkung der Intervention für Lateinamerika. Die "Option für die Armen", die die dortige Kirche seit Medellin 1968 eingenommen hat, verliert an Glaubwürdigkeit. Und die Kirche in Chile, jener Teil, der sich auf Medellin beruft, kann sich nur verhöhnt vorkommen. Die regimekritischen Priester und Basisgemeinden, jene Katholiken, die ihr christliches Engagement mit politischen Protesten gegen die Verletzung von Menschenrechten und für die Wiedererrichtung der Demokratie verbanden, sehen sich allein gelassen.

Der Vatikan macht sich zum Anwalt Kains, wer aber macht sich zum Anwalt Abels?

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