Bob Dylan: Rebell, Prophet, Judas

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Bob Dylan erhielt kürzlich die "Presidential Medal of Freedom", die höchste zivile Auszeichnung der USA.

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Bob Dylan erhielt kürzlich die "Presidential Medal of Freedom", die höchste zivile Auszeichnung der USA.

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Als "größten Giganten in der amerikanischen Musikgeschichte“ bezeichnete US-Präsident Barack Obama den legendären Folksänger und Rockpoeten Bob Dylan bei der kürzlichen Verleihung der "Presidential Medal of Freedom“, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA. Darüber waren sich viele Musik- und Literaturkritiker schon einig, bevor sich der US-Demokrat als Dylan-Fan outete.

Der heute oft verschwiegene und etwas grimmig anmutende alte Meister hat die populäre Musik der vergangenen Jahrhunderthälfte wie vielleicht kein anderer Einzelkünstler geprägt. Noch immer tourt der kürzlich 71 gewordene Singer-Songwriter rastlos um den Globus, um vor seiner eingeschworenen Fan-Gemeinde von vielen Musikern gecoverte Klassiker wie "Like a Rolling Stone“ oder "Knockin’ on Heaven’s Door“ bis zur Unkenntlichkeit neu zu interpretieren. Stets im eleganten Südstaaten-Anzug samt Hut und den obligaten Cowboy-Stiefeln wirkt Dylan wie eine Figur aus einem alten Film, doch in den Sechziger- und Siebzigerjahren war der populäre Musiker das Sprachrohr einer ganzen Generation.

Als schmächtiger junger Mann mit Lockenkopf und Reibeisenstimme mischte Dylan Anfang der Sechziger Jahre die New Yorker Folkszene auf und traf wie kein anderer Sänger den Puls der Zeit. Mit Protestliedern wie "Blowin’ in the Wind“ oder "Masters of War“ wurde er schnell zur Ikone der amerikanischen Bürgerrechts- und Antikriegsbewegung. Doch bald fühlte sich Dylan politisch vereinnahmt und sägte an seinem Image als Protestsänger. Als er die Folk-Anhänger 1966 mit einem neuen elektrischen Sound vor den Kopf stieß, gipfelte der Konflikt mit seinen Fans bei einem Londoner Konzert in den berühmt-berüchtigten "Judas-Rufen“ - Musikgeschichte war geschrieben. Nach einem Motorradunfall im selben Jahr zog sich Dylan bis zum Ende der Sechzigerjahre aus der Öffentlichkeit zurück.

Sein Leben ist durchzogen von zahlreichen Brüchen und Wendungen: Egal ob Scheidung, Hinwendung zum Christentum, Krise oder Comeback - alle Stationen hat er in Songs verarbeitet. Geboren wurde Bob Dylan als Robert Allen Zimmermann, Sohn jüdisch-russischer Einwanderer, im Mittleren Westen der USA. Der Verwandlungskünstler lieh sich gleich zu Beginn seiner Karriere vom walisischen Dichter Dylan Thomas den klangvollen Namen. Gewappnet mit den Markenzeichen Gitarre, Mundharmonika und einem unverwechselbaren näselnden Vortragsstil wurde er schnell zum Inbegriff des intellektuellen Singer-Songwriters. Sein gewaltiges Repertoire von über 500 Liedern und seine poetischen Texte zeichnen ihn aus. Diese waren zu Beginn von den politischen Inhalten der Folkbewegung beeinflusst, später von den französischen Symbolisten, den amerikanischen Klassikern, aber auch von der Bibel. Dylan erhielt neben dem Oscar für die beste Filmmusik und elf Grammys den Pulitzer-Preis und wurde wiederholt für den Literatur-Nobelpreis nominiert.

In der dreistündigen Filmbiografie "I’m Not There“ aus dem Jahr 2007 verkörpern sechs Schauspieler die vielen Facetten des Mythos um Bob Dylan. Dazu wählte Regisseur Todd Haynes auch einen afro-amerikanischen Jungen und eine Frau - Cate Blanchett brilliert als androgyner Dylan. Im Trailer zum Film heißt es: "He is everyone. He is no one.“ Das Geheimnis, wer Bob Dylan wirklich ist, wird er wohl mit ins Grab nehmen. Seine Fans müssen sich mit den Songs begnügen, die er eifrig wie eh und je liefert: Im Herbst erscheint sein 35. Studioalbum.

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