Die geträumte Bibel

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186 Gemälde und graphische Werke von Marc Chagall zum Alten und Neuen Testament.

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186 Gemälde und graphische Werke von Marc Chagall zum Alten und Neuen Testament.

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Seit 1931 setzt sich Marc Chagall mit der Bibel auseinander. Ein Auftrag des Kunsthändlers Vollard und eine Reise nach Palästina setzten den Auftakt. In der Bibel entdeckte er "einen Teil meines wahren Selbst": "Ich sah die Bibel nicht, ich träumte sie". Sie tritt fortan zeitweise in den Hintergrund, belegt ihn dann wieder völlig mit Beschlag, ist und bleibt nun das große Thema seines Lebenswerks. Er war unter allen Künstlern des 20. Jahrhunderts, die sich intensiv mit der Bibel beschäftigten, zweifellos der bedeutendste. 1938 begann der in einem frommen jüdischen Elternhaus in Witebsk aufgewachsene, 1923 endgültig nach Frankreich übersiedelte Chagall auch "unseren jüdischen Märtyrer" Jesus in seine Bildwelt aufzunehmen, wobei er dem Gekreuzigten die jüdischen Gebetsriemen anlegt oder das einfärbige Lendentuch der christlichen Ikonographie mit einem jüdischen Gebetsschal vertauscht.

Marc Chagall als der bedeutendste moderne Illustrator der gesamten Bibel, des Alten wie des Neuen Testaments: Das Projekt einer anspruchsvollen Ausgabe der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, durchgehend illustriert von Marc Chagall, wurde vom Katholischen Bibelwerk in Stuttgart vor zwei Jahren in Angriff genommen. Das beeindruckende Ergebnis liegt nun vor.

Chagall schuf eine große Zahl von einzelnen Werken sowie geschlossene Zyklen zu biblischen Themen: Gemälde und graphische Arbeiten in den verschiedensten Techniken, aber auch Glasfenster und sogar keramische Arbeiten, neben den Gemälden aber vor allem Zeichnungen, Farblithographien und Radierungen. An letzteren arbeitete er, während ihm Bella Chagall aus der Bibel vorlas - ein Teil davon wurde später von ihm selbst koloriert.

Chagalls Enkelin Meret Meyer-Graber war vom Konzept des Bibelwerks angetan und hat es tatkräftig unterstützt. Kernpunkt: In der "Chagall-Bibel" sollten die Bilder nicht, gemäß weithin gängiger Praxis, ein willkürlich verteiltes schmückendes Beiwerk darstellen, sondern zum zugehörigen Text zurückgeführt werden, also jeweils genau dort stehen, wo sie hingehören.

Diesem Prinzip hatte sich auch das Layout unterzuordnen. Der deutsche Chagall-Kenner Christoph Goldmann vom Kasseler Jona-Institut, das sich mit der Erschließung von Chagalls Symbolwelt befaßt, sollte jede Abbildung erklären.

Genau so wurde "Die Chagall-Bibel" realisiert - mit 186 Bildern in ausgezeichneter Druckqualität. Dank der Zusammenarbeit mit Chagalls Enkelin konnte, zehn Jahre nach Chagalls Tod, die deutsche Erstveröffentlichung von 37 handkolorierten Radierungen der 1956 publizierten "Verve-Bibel" in die "Chagall-Bibel" (die es auch in einer limitierten, ledergebundenen Vorzugsausgabe zu 7.285 Schilling gibt) integriert werden. Chagall starb am 28. März 1985 im 98. Lebensjahr, wenige Monate nach der Vollendung der neun großen Fenster für St. Stephan in Mainz, des umfangreichsten der von ihm geschaffenen Glaskunstwerke.

DIE CHAGALL-BIBEL Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift - Einleitung, Bilderläuterungen: Christoph Goldmann Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1998. 896 Seiten, 186 Bilder, Ln., Schuber, öS 2.175,- 150 SW Abbildungen, öS 690,-.

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