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Romische Schneckenpost

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Die halbamtliche Federazione Italiana della Strada (F. I. S.), eine Art technische Verkehrs-wacht, stellt nüchtern, fast resigniert fest, daß die unhaltbaren Verkehrsverhältnisse in den meisten italienischen Groß- und Mittelstädten von jenen der Zweimillionenstadt Rom noch bei weitem übertroffen werden. Neben mannigfachen Zeugnissen führt sie ein praktisches Beispiel der letzten Tage an. Ein mit allen erforderlichen Meßinstrumenten versehenes Auto mittleren Hubraums, das gegen 11 Uhr, also vor der besonders verkehrsreichen Mittagszeit, die Stadt von Nordosten über die bis zu den Stadtmauern der Porta Pia breite Via Nomentana und von da, sich dem Zentrum nähernd, über die Verkehrsdichte Via XX Settembre, die ebenfalls verkehrsreiche Via Nazionale und den Corso Vittorto. Emanuele bii *uib Vatikan durchquerte, benötigte für diese 11 km lange Strecke 41 Minuten 5 Sekunden, also etwa das Tempo eines sich frei bewegenden Radfahrers. Die eingebauten Instrumente registrierten 2,06 Liter Benzinverbrauch, d. h. das Doppelte des Durchschnittskonsums. Geschaltet wurde 137mal, wovon 42 Schaltungen in den ersten Gang, 68 in den zweiten, 27 in den dritten; der vierte Gang konnte überhaupt nicht benutzt werden. Das Bremspedal wurde 166mal betätigt; gekuppelt wurde 198mal.

Dieses Beispiel, eines für viele, läßt der Ver-kehrswacht die durchgreifende Lösung des Problems fast hoffnungslos erscheinen. Aber — so antworten die Fachleute — ein solches Bekenntnis der Ohnmacht ist im Zeitalter potenzierter Technik nicht angebracht. Abgesehen davon, ihr Rezept ist einfach: „Wenn Ihr schon die ehrwürdigen Straßen, Gassen und Plätze, die enggebauten Adels- und Bankierspaläste des päpstlichen und mittelalterlichen Roms nicht antasten wollt, so verbannt den überhandnehmenden Verkehr aus dem Zentrum und gebt damit auch dem Auto seinen Sinn wieder: den der besonders schnellen Personenbeförderung, der in der Stadtmitte nicht gewährleistet ist. Statt der durch den Stadtkern ruckartig und auf Umwegen sich bewegenden Personenautos setzt mehr Großfahrzeuge zur Massenbeförderung ein, vor allem die bestbewährten elektrischen Busse, deren schnelles Tempo heute zum Schaden aller Verkehrsteilnehmer über Gebühr eingeschränkt ist.“

„Fort mit den Automobilen aus dem Zentrum Roms!“ — Dies ist das Schlagwort der römischen Bürger geworden, deren ältere sich wehmütig an die Zeit vor 20, 30 Jahren erinnern, da die Hauptstadt Italiens nicht viel mehr als eine halbe Million Einwohner .zählte und da in der heute verkehrserstickten Gegend an der Piazza Venezia und der Piazza Colonna der beliebte Bummel der eleganten Welt Roms war.

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