6541443-1946_43_02.jpg
Digital In Arbeit

Vom Regen in die Traufe

Werbung
Werbung
Werbung

Kein freundlicher Stern lächelte über den Vierundzwanzig, die im Unterrichtsministerium alsHaydnersatz-Kommis-i o n beisammen saßen, einem Berg von 1800 Tondichtungen gegenüber, ' in denen nach dem Preislied der künftigen Bund's-hymne geschürft werden sollte. Es war ohne Zweifel eine schwere Aufgabe. Aber was war zu machen? Die Hitlerherrschaft hatte sich die Haydnhymne für ihre Zwecke angeeignet, und wenn man schon unser Steuerwesen, unser Rechtswesen und unsere Verwaltungsmethoden bisher nicht von den zahlreichen Überbleibseln des Dritten Reiches entnazifizierte, so muß man doch wenigstens bei der überlieferten österreichischen Bundeshymne anfangen, ernstzumachen, weil sie im Dritten Reich mißbraucht worden ist. — Zugegeben: Leicht ist's nicht, von ihr Abschied zu nehmen! Wer soll es wagen, Haydn zu ersetzen? Doch e i n Einsender hatte einen genialen Einfall: Kein Sterblicher kann es mit Haydn aufnehmen, aber Mozart kann es! Setzen wir eine Mozartsche Hymne an Stelle der von Haydn, und alles ist in Wohlklang aufgelöst! So entstand der Vorschlag, die Mozartsche Komposition zu dem Liede „Brüder reicht die Hand zum Bunde“ zur Bundeshymne zu erheben. Er wurde fast ?instimmig angenommen, und der Kommission fiel hörbar ein Stein vom Herzen.

Leider hat das Mozartsche „Bundeslied“ seine besondere Geschichte. Mozart komponierte es als Festgesang der Freimaurerloge, des „Weltenbundes“, und die „Brüder“, die der Text apostrophiert, waren die Dreipunktebrüder, nach maurerischem Ritual mit dem Schurzfell angetan und mit der Kelle bewaffnet. Daß das österreichische Volk jetzt nach dem alten Freimaurer-Festlied sein Vaterlandslied stimmen soll, ist eine originelle, aber keine geschmackvolle Idee.

Doch über dem Mozartschen „Bundeslied“ schweben noch andere Geschicke. Gerade dieser Mozartschen Komposition legte der begeisterte Poet und Burgtheaterdirektor J e 1 u s i c h den Text für eine Apotheose Hitlers zugrunde, die den „Führer“ also anhimmelte:

„Perle in der “Weltenrunde, Sprößling hehrsterSternenstunde, Die wie keinem, Gott, dir schuf! . ..“ usw.

Also: Der Haydnhymne, diesem ehrwürdigen, zu Tönen gewordenen Gebet österreichischer Vaterlandsliebe, sollen wir ausweichen, weil sie im Dritten Reich zum Deutschlandlied Hoffmanns von Fallersleben gesungen worden ist. Als Ersatz dafür bekommen wir einen alten Freimaurercantus, den Mozart vertont und ein aus dem Häusel geratener Poet auf Adolf Hitler umgedichtet hat.

Wir bedanken uns.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung