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Webstühle ohne Schiffdien...

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Zum erstenmal seit hundert Jahren wird das Plenum des obersten spanischen Gerichtshofes über Verfehlungen von Ministern zu urteilen haben, die diese bei der Ausübung ihres Amtes begangen haben. In einer mehrstündigen Vollversammlung nahm das Plenum bereits seine Kompetenz im Fall „Matesa“, der hier als „Finanzskandal des Jahrhunderts“ bekannt wurde, als gegeben an. Der Skandal, der gegen Ende des vergangenen Jahres aufgeflogen war, hatte den spanischen Steuerzahler nicht weniger als 10 Milliarden Peseten gekostet, die sich „Matesa“ über die staatliche Industriebank für Scheinexporte eines schiffchenlosen Webstuhles erschlichen hatte. 74 Niederlassungen in Europa und Amerika erwecken den Anschein, als ob es sich um ein solides Weltunternehmen handle. Der Schwindel flog schließlich durch die Wachsamkeit des spanischen Zolls auf. Seither sind die Verantwortlichen, nämlich der Präsident der „Matesa“, Vila Heyes, und seine leitenden Angestellten in Haft Der in den Skandal verwickelte ehemalige Unterstaatssekretär im Industrieministerium, Angel de las Cuevas, der auch Abgeordneter ist, wurde kürzlich vom Parlament seiner Immunität entkleidet.

Das Großreinemachen hört jedoch,wie der Beschluß der Vollversammlung des Obersten Gerichtshofes beweist, hier nicht auf. Eine erste Angeklagtenliste mit den Namen des damaligen Finanzministers Espinosa San Martin und des ebenfalls bei der letzten großen Eegierungsumbildung im November vergangenen Jahres ausgeschiedenen Handelsministers Garcia Monco soll bereits fertiggestellt sein. Von Espinosa San Martin wird behauptet, daß er die Anzeige der Generaldirektion für Zollwesen gegen „Matesa“ drei Monate lang in seinem Schreibtisch habe ruhen lassen. Auf einer zweiten Liste sollen angeblich der Präsident der Bank von Spanien, Navarro Rubio und der Generaldirektor für Textilindustrien, Rodolpho Martin Villa, ja sogar der Name eines noch amtierenden Ministers stehen.

An der Madrider Gerüchtebörse notiert dieser Name natürlich hoch im Kurs. Und dies nicht nur wegen der brillanten Auftritte seines Trägers. Vielmehr deshalb, weil dieser auf der „Abschußliste“ stehen soll. Die einen behaupten, daß er bereits seinen Rücktritt eingereicht habe, die anderen wollen wissen, daß überhaupt schon im Juni, nach der Unterzeichnung des so gut wie abgeschlossenen spanisch-amerikanischen Stützpunktvertrages, eine kleine Regierungsumbildung fällig sei.

Doch selbst wenn diese Gerüchte sich nicht bewahrheiten sollten, hat der Oberste Gerichtshof die Befugnis, auch gegen amtierende Persönlichkeiten vorzugehen. Er ist entschlossen, seine Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen. Und er stützt sich dabei nicht nur auf das Recht, sondern kann auch mit der vollen Unterstützung der Macht rechnen: Spaniens Staatschef, Generalissimus Franco, zieht die Maßregelung der selbst an den höchsten Stellen stehenden Schuldigen einer Bloßstellung seines Regimes vor.

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