"Kerle und Puppen" statt "Law and Order"

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Mit der Produktion von "Guys and Dolls" gelang der Wiener Volksoper ein echter Hit. Die Liebesgeschichte inmitten kleiner Gauner, Glücksspieler und Huren besticht durch ihre altmodische Inszenierung. Auch an der Ausstattung, dem Chor und Ballett, der Übersetzung ins Deutsche sowie den Hauptdarstellern gibt es nichts auszusetzen.

Boulevard der Rastlosigkeit" nannte Stefan Zweig den Broadway in New York. Die berühmte Straße, der das Theaterviertel der US-Metropole seinen Namen verdankt, ist nicht nur eine pulsierende Verkehrsader, sondern war auch immer ein Ort der Halb- und Unterwelt - zumindest bis Bürgermeister Rudolph Giuliani in den 1990er Jahren die Gegend mit einer strikten Law-and-Order-Politik säuberte. Aus jener Zeit, als sich noch Ganoven jeglichen Kalibers auf dem Broadway herumtrieben, stammt "Guys and Dolls" was mit "Kerle und Puppen" übersetzt werden könnte. In den USA erfreut sich dieses Musical von Frank Loessner einer immensen Popularität, in unseren Breiten wird es eher selten gespielt. Nun hat es die Wiener Volksoper auf die Bühne gebracht - und zwar in einer fulminanten Produktion, die Geist und Glamour des Broadways versprüht.

Jazziger Sound

Inmitten von kleinen Gaunern, Glücksspielern und Huren entspinnt sich eine Liebesgeschichte zwischen dem smarten Wettkönig Sky Masterson (Axel Herrig) und der tugendhaften Sarah Brown (Johanna Arrouas), die als Sergeant der Heilsarmee versucht, Seelen aus dem Sündenpfuhl zu retten. Auslöser ist eine Wette, mit der Nathan Detroit (Volksoperndirektor Robert Meyer), ein Betreiber illegaler Würfelspiele, zu Geld zu kommen versucht.

"Guys and Dolls" ist ein Musterbeispiel für die Ära des klassischen Musicals. Das 1950 uraufgeführte Stück hat einen jazzigen Sound, das Orchester der Volksoper unter Joseph R. Olefirowicz swingt mitunter wie eine Big Band. Bemerkenswert ist, dass die Glücksspieler sich musikalisch in religiös konnotierten Formen wie Kanon und Choral artikulieren, während die Heilsarmee, eine sich gegen Laster aller Art engagierende Freikirche, durch dröge Märsche charakterisiert ist.

Mit dieser Produktion hat die Wiener Volksoper einen echten Hit gelandet: eine erstklassige Aufführung, an der es nichts, aber auch gar nichts zu bemängeln gibt. Heinz Marecek hat eine flotte, herrlich altmodische Inszenierung abgeliefert. Das an der Ästhetik des Films Anleihen nehmende Bühnenbild (Sam Madwar) und die Kostüme (Ingrid Erb) treffen die Zeit der Uraufführung perfekt. Alexander Kuchinka und Christoph Wagner-Trenkwitz (der als Hot-Box Charlie auch einen kleinen Auftritt hat) haben Liedtexte und Dialoge humor- und geschmackvoll ins Deutsche übertragen.

In bester Broadway-Tradition

Höchstes Lob gebührt auch dem ausgezeichnet eingerichteten Chor der Volksoper sowie dem in bester Broadway-Tradition groß auftanzenden Ballett. Am Gesang gibt es nichts auszusetzen, ebenso wenig an der Darstellung. Nicht nur der ehemalige Burgschauspieler Meyer, auch alle anderen Sänger spielen ihre durchwegs liebenswerten Figuren vortrefflich; erwähnt seien Marko Kathol als der kleine Ganove Super-Super Johnson und Gerhard Ernst als der Falschspieler Big Jule, dessen kolossale Erscheinung im krassen Gegensatz zu seiner lächerlichen Falsettstimme steht.

In die erste Reihe gespielt

Der Star der Aufführung ist aber zweifellos die umwerfende Sigrid Hauser. Das Multitalent verkörpert Nathan Detroits geistig etwas unterbelichtete Langzeit-Verlobte, die mit der Unbeirrtheit eines Trampeltieres den ersehnten Hafen der Ehe ansteuert. Hausers ausgebildete Stimme verfügt über eine unglaubliche Ausdruckskraft und vermag die tollsten Kapriolen zu schlagen, sodass sich der Witz dieser Buffo-Figur auch gesanglich vermittelt. Ob sie in einem köstlichen Lamento mit Hilfe eines Buches über "Psycholologie" der tieferen Ursache ihres Dauerschnupfens auf den Grund geht oder ob sie gemeinsam mit den heißen Ballettmädels zwei wunderbare Striptease-Nummern (selbstverständlich jugendfrei) in einem Nachtclub hinlegt - nicht oft erlebt man einen derart überzeugenden Auftritt. Die Komikerin, Fernsehschauspielerin und Autorin hat zwar in der Vergangenheit schon ein paarmal in Musicals gesungen, spielt sich aber hier an der Volksoper in die erste Reihe. Bitte mehr davon!

Robert Meyer (Nathan, r.) mit Gerhard Ernst (Big Jule): gr. Bild; Meyer mit Stefan Cerny (Rusty) und Thomas Markus (Benny): kl. Bild

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