Literatur im Datenspeicher

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Die Digitalisierung der Welt macht vor den Büchern und Bibliotheken nicht halt. Die Werke werden elektronisch erfasst, was einen Streit um Rechte auslöste. Erst die jetzige, dritte Generation von E-Readern hat echte Chancen auf Erfolg.

Mit der Einführung des E-Book beginnt eine neue Ära: Die Buchlektüre steht nicht mehr nur in medialem Wettbewerb mit den Printmedien Zeitschrift und Zeitung, sondern auch mit einem elektronischen Medium, eben dem elektronischen Lesegerät, zu dessen spezifischen Eigenschaften die Fähigkeit gehört, umfassenden Inhalten jenen Platz zu bieten, dem das konventionelle Medium Buch nicht standhält. Bei E-Books handelt es sich – fachlich betrachtet – um Tertiärmedien. Sie benötigen im Unterschied zum Sekundärmedium Buch, für dessen Herstellung ein technischer Apparat erforderlich ist, nicht aber für dessen Konsum, ein Empfangsgerät.

Die ersten elektronischen Lesegeräte kamen in den 1990er Jahren auf den Markt. Technische Unausgereiftheit und mangelnde Inhalte verhinderten die Markteinführung. Die zweite Generation startete 1998, ebenfalls ohne nachhaltigen Erfolg. Erst als Amazon 2007 seinen Kindle auf den Markt brachte, änderte sich das Bild. Diese dritte Generation von E-Readern basierte auf einer neuen Technologie, der elektronischen Tinte. Neben dem Kindle führen nun der Sony PRS505 und Geräte von iRex Technologies diese Generation an. Nicht nur die Lesegeräte sind ab nun besser, es stehen auch mehr Inhalte zur Verfügung – und Google spielt dabei eine wesentliche, nach Ansicht mancher Autoren und Juristen eine problematische Rolle.

Sieben Millionen Bücher digitalisiert

Im Jahr 2004 begann Google, die Buchbestände großer amerikanischen Bibliotheken zu scannen. Damit wurden bislang mehr als sieben Millionen Bücher digitalisiert, darunter auch viele deutschsprachige und urheberrechtlich geschützte Werke. Eine Klage US-amerikanischer Autoren- und Verlegerverbände gegen Google endete im Mai 2009 mit einem Vergleich, der derzeit in San Francisco wieder neu gerichtlich verhandelt wird. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen der europäischen Kommission und Google. Google Books bietet den Benutzern die Möglichkeit, in diesen Büchern eine Volltextsuche im Internet durchzuführen. Davon können ca. 1,5 Millionen urheberrechtsfreie Bücher bereits auf Mobiltelefonen (iPhone) oder dem Sony Reader gelesen werden.

Google will nun auch auf dem E-Book Verkaufsmarkt Fuß fassen. Mitte 2010 eröffnet Google Editions einen Online-Shop für E-Books. Gemeinsam mit Verlegern will man eine halbe Million Titel anbieten. E-Books sollen damit auf jedem Gerät lesbar sein, das über einen Webbrowser verfügt – unabhängig von Format und Lesegerät.

Amazon wiederum bietet derzeit für den englischsprachigen Markt rund 300.000 Titel an, die ausschließlich mit dem Kindle gelesen werden können. Seit Oktober 2009 wird der E-Reader von Amazon am deutschsprachigen Markt eingeführt. Deutschsprachige Titel stehen allerdings kaum zur Verfügung.

Der US-amerikanische Bookstore Barnes & Noble hat bereits 2008 einen E-Book-Store eingerichtet: Mehr als 700.000 Bücher sollen auf diversen Geräten – darunter iPhones, Blackberrys und neuerdings auch E-Readers namens Nook – gelesen werden können. Damit bekommt Amazon Konkurrenz auf dem E-Book-Markt.

Für den deutschsprachigen Markt wiederum verfügt Libreka über das größte E-Book-Angebot mit ca. 100.000 Titeln.

Der E-Book Markt ist heiß umkämpft und alles andere als einheitlich. Besonders problematisch ist, dass es keine etablierten Formatstandards gibt. Mit einem Kindle können E-Books von Libreka nicht gelesen werden und für Sony-Reader-Besitzer sind E-Books von Amazon wertlos. Auch mit iPhones und iPods-Touch können E-Books gelesen werden. Kostenfreie Programme dafür stehen über das Download-Portal iTunes Store zur Verfügung. 40 Millionen verkaufte iPhones- und iPods haben auch Amazon zur Strategieänderung bewogen – der Online-Shop vertreibt seine E-Books nun auch für Besitzer dieser Geräte. Dennoch existiert derzeit kein Gerät, das alle Formate entziffert.

Handel mit E-Books als Markt der Zukunft

Wie sieht der E-Book-Markt in Zahlen aus? Auf dem amerikanischen Markt werden die Umsatzzahlen seit 2002 erhoben. Im Jahr 2007 wurden 0,27 Prozent des Gesamtumsatzes des US-amerikanischen Buchhandels durch E-Books erwirtschaftet. Für den deutschsprachigen Markt gibt es noch keine vergleichbar aussagekräftigen Zahlen. Eine Umfrage des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) in Deutschland ergab, dass 37 Prozent der Neuerscheinungen als E-Book erhältlich sind, wobei der Anteil im Bereich Fachbuch/Wissenschaft bei 51 Prozent liegt. Der Umsatz liegt ähnlich dem der USA ebenfalls unter einem Prozent und für die nächsten fünf Jahre geht man von einem Wachstum um zwei Prozent aus. Trotz des langsamen Wachstums sind E-Books der Markt der Zukunft.

Dennoch bleiben Fragen offen: Ungeklärt ist die Preisgestaltung. Die Modelle der Verlage sind unterschiedlich und vom Interesse getragen, eine optimale Marktposition zu erreichen. Aber wie geht der E-Bookmarkt mit Raubkopien um? Und wie reagieren die Verlage und Autoren darauf? Zudem verhandeln Google einerseits, Verlage und Autoren andererseits über eine Änderung des Abkommens von 2009: Google will jene Bücher digitalisieren, deren Urheberrechte zwar noch gelten, die aber vergriffen sind. Die von einem Bezirksrichter in San Francisco eingeräumte Frist für eine Einigung endet am Freitag dieser Woche. Zudem bestehen technische Fragen: Wird es je ein einheitliches Format geben, sodass Kunden mit einem einzigen Gerät alle zur Verfügung stehenden E-Books lesen können?

Inhaltlich muss in der E-Book-Diskussion zwischen Belletristik und Sach- bzw. Fachbüchern unterschieden werden. E-Sachbücher führen den E-Book-Markt an, denn die Leser schätzen die gebotenen Suchfunktionen und die Aktualisierbarkeit. Gesetzestexte verfügbar zu haben, ist sinnvoll. Im Bereich der Belletristik ist die Bereitschaft zum E-Book aber nach wie vor gering.

Buch bleibt, das Leseverhalten ändert sich

Das Buch wird in seiner gewohnten Form erhalten bleiben, ist es doch schwer vorstellbar, dass sich der Leser abends mit seinem Laptop ins Bett legt, um in einem Krimi zu schmökern. Oder man stelle sich einen Verliebten vor, der anstelle eines bibliophilen Lyrikbandes einen Kindle seiner Angebeteten schenkt. Für das Buch spricht noch, dass es einfach zu bedienen ist und unabhängig von Strom und Technik funktioniert. Sicher aber ist: Die Lesegewohnheiten ändern sich, und digitale Lesegeräte werden in Zukunft den Lesealltag prägen.

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