Möge Gott Ihrer Seele gnädig sein!

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Barbara Prammer, Präsidentin des Nationalrats, verstarb am Samstag im Kreis ihrer Familie an ihrer Krebserkrankung. Die erste Frau an der Spitze des Parlaments genoss auch unter den österreichischen Muslimen großen Respekt.

Ich habe in den letzten Tagen in den sozialen Netzwerken schriftliche Anteilnahmen und herzliche Beileidswünsche von Muslimen gelesen. Auffällig bei all diesen Schreiben ist, dass der Hauptsatz eines muslimischen Beileidsschreibens, der die Kernbotschaft zum Ausdruck bringen soll, fehlt. Der Satz lautet in etwa: "Möge Gott ihrer Seele gnädig sein" bzw. "Möge Gott sich ihrer Seele erbarmen". Warum fehlen solche Sätze eigentlich? Weil Frau Prammer keine Muslimin ist und nach einer leider stark verbreiteten Lesart des Islam Nichtmuslime von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes und somit auch vom Paradies ausgeschlossen bleiben. Frau Prammer soll nach dieser Lesart also für immer in die Hölle gehen. Die schönen Beileidsschreiben haben dann lediglich einen profanen Charakter im Sinne politischer Korrektheit. Der Koran antwortet auf solch eine vereinnahmende Lesart der Gnade Gottes mit klaren Worten: "Sag [Mohammed zu den Menschen]: Wenn ihr über die Vorräte der Barmherzigkeit meines Herrn verfügen würdet, würdet ihr euch aus Furcht, euch zu verausgaben, in Zurückhaltung üben. Der Mensch ist eben geizig."(Koran 17:100) Der Koran lehrt, dass die Barmherzigkeit Gottes keine Grenzen kennt, denn sie umfasse alle Dinge (7:156). Außerdem lehrt der Koran, dass nicht nur Muslime in die ewige Glückseligkeit gelangen (2:62). Wer glaubt, Menschen aus der Barmherzigkeit Gottes auszuschließen, der maßt sich an, Gott zu spielen.

Ehrliche Anteilnahme ist nicht opportunistisch. In diesem Sinn möge Gott Ihrer Seele, liebe Frau Prammer, gnädig sein und Sie in die ewige Glückseligkeit aufnehmen.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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