Monteverdi simplifiziert

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"Il Ritorno d'Ulisse in Patria" als Gastspiel im Theater an der Wien.

Den anderen Monteverdi, wie wir ihn in Opernhäusern eher selten vorgesetzt bekommen, präsentiert der Alte-Musik-Spezialist William Christie für die Wiener Festwochen im Theater an der Wien: "Il Ritorno d'Ulisse in Patria", das 1640 in Venedig uraufgeführte Meisterwerk, erleben wir hier zwar nicht in einer prächtigen, mit vielen Einschüben und Ergänzungen luxuriös aufbereiteten Version, wie Nikolaus Harnoncourt und Jean-Pierre Ponnelle sie von Zürich aus zum europäischen Erfolg geführt haben. Aber Christie versteht natürlich sein Handwerk: Das Werk ist musikalisch streng, mit faszinierender Stilkenntnis und klug aufbereitet. Musikalisch überzeugt diese stimmige Wiedergabe in jedem Moment.

Christie am Pult seines sensibel musizierenden Ensembles Les Arts Florissants zeigt Ulisse gewissermaßen pur. Extrem schlank in der musikalischen Faktur und im Instrumentarium, zurückgenommen im Ausdruck, fast sachlich. Ein luftig schwebendes, raunendes Klangbild, in dem die insgesamt nicht großen, linear geführten Stimmen der Mitglieder der Académie européenne de musique (Aix-en-Provence) sich behaupten können.

Schade ist dabei allerdings, dass die Qualität dieser Stimmen zum Teil recht inhomogen wirkt und in manchen Szenen die Balance der Stimmen fehlt: Am überzeugendsten wirken der helle, frische Telemaco von Cyril Auvity, die ausdrucksstarke Minerva von Olga Pitarch und die in ihrer strengen Stilisierung geradezu störrisch prüde Penelope von Marijana Mijanovi´c; immerhin ein solider Ulisse mit dunklem Timbre und klarer Diktion ist KreÇsimir Spicer.

Enttäuschend wirkt die übrige Besetzung. Aber auch in einer anderen Hinsicht enttäuscht diese schon lange mit Vorschusslorbeeren gefeierte Produktion, die als Gastspiel des Festivals von Aix-en-Provence (in Koproduktion mit Paris, Bordeaux, Caen und Lausanne) ins Theater an der Wien kam.

Szenisch machen Regisseur Adrian Noble, Ausstatter Anthony Ward und Lichtdesigner Jean Kalman es sich eher leicht. Monteverdi simplifiziert ! Die Bilder haben die Atmosphäre einer Studententheater-Aufführung, sie atmen nichts vom Zauber des Werks, bleiben die künstlerischen Visionen des größten Meisters des Barock letztlich schuldig. Kein Wunder, dass sich da immer wieder Fadesse breit macht, wenn ausgedehnte Arien nicht durch szenische Effekte ergänzt werden.

Ein gar nicht reizvolles asymmetrisches Portal, weiße Seitenwände, ein mehrschichtiger Vorhang aus Seilen mit Glühbirnen reichen zwar notdürftig aus, um die Geschichte vom König und Rächer Ulisse zu erzählen, der sein Schicksal und die neidischen, boshaften Götter zu überlisten versucht und nach seiner schier endlosen Odyssee nach Hause findet. Doch da findet er seine Frau Penelope von Freiern bedrängt und muss sie erst mit einer List erlösen.

Dabei geht die Inszenierung an Wesentlichem vorbei: etwa an den vielfältigen Stimmungslagen des überaus kunstvollen Werkes, den Verschneidungen der Ebenen von realer Welt und Götterwelt, von Mythos und Seelenlage und vor allem an Monteverdis kunstvoll ausgeklügelten Affektedarstellungen, welche die Musik so genau vorgibt. Sie geraten hier ins Leere.

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