Sie nannten sie "Sisi"

19451960198020002020

Der 100. Todestag von Kaiserin Elisabeth wird in In- und Ausland gnadenlos vermarktet .

19451960198020002020

Der 100. Todestag von Kaiserin Elisabeth wird in In- und Ausland gnadenlos vermarktet .

Werbung
Werbung
Werbung

Nach dem Gedenken des ersten Todestages von "Lady Di" beschert uns der ORF pünktlich zur nächsten (historischen) schönen Leich' zweieinhalb Wochen lang die vielen verschiedenen Aspekte von Elisabeth von Österreich, genannt "Sisi" beziehungsweise "Sissi". Neben der aufpolierten herzigen Film-Trilogie von Ernst Marischka auch Hintergründiges wie "Von Romy zu Sissi", alles über die Dreharbeiten und über eine weitere schöne Leich' - Romy Schneider. Weiters läßt man Frauen berichten über "Die Macht der Schönheit" der Monarchin oder zieht forciert Parallelen zwischen "Sisi und Diana". Glückliche Kindheiten, unglückliche Ehen, Magersucht und plötzlicher Tod werden beinahe als Schicksalswiederholung hingestellt. Jedenfalls sind das die Ingredienzien, die zu einem wahrhaft rührenden Film-Lebenslauf gehören und angeblich jeden Seher interessieren. In geballter Ladung wird gesendet, was Quoten zu bringen verspricht. So wie die Buchgeschäfte einschlägige Publikationen - egal ob "Di" oder "Si" - in den Mittelpunkt der Auslagen zu rücken wissen.

Schließlich hatte die Tourismuswirtschaft ebenfalls rechtzeitig das besondere Jubiläum entdeckt. Sie entreißt Elisabeth im Internet dem Jenseits und macht sie anklickbar. Die in mehreren Sprachen hergestellten Videos und Broschüren über Wien rücken natürlich "ihre Plätze" in den Vordergrund. Etwa ein verstecktes Denkmal im Volksgarten, eine in Vergessenheit geratene, verfallende Kapelle und ein paar historistische Kirchen. Geworben wird weiters mit Auslagen und Erzeugnissen von einst renommierten Geschäften, die vorgeben, die gleiche Qualität zu liefern, wie damals ans Kaiserhaus. Dazu gehört Touristisch-Bewährtes wie die Sängerknaben und die Lipizzaner, Schönbrunn, die Hofburg und die Hermesvilla. Sogar bei der Fußball-WM in Paris wurde auf der "Princess Elizabeth", vulgo "Sissi", einem Schiff auf der Seine, für das kaiserlich-republikanische Wien geworben.

Und so hatte jeder, der wollte und konnte, genug Zeit und Gelegenheit gehabt, sich über die Jahresregentin eingehend zu informieren und Passendes produzieren zu lassen. Was herauskam war ein Sammelsurium von Geschmackvollem und Geschmacklosem, billigem Ramsch und teurer Neuauflage von dem, was ihr gefallen hatte. Eben für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas.

Die Palette der Produkte, die sich findige Marketingstrategen zum Thema "Elisabethjahr" einfallen ließen, ist wirklich breit gestreut und schier endlos. Und so ziert das Porträt der Monarchin nicht nur Ansichtskarten und Ausstellungsplakate sowie -kataloge, sondern auch Schachteln, Tragtaschen, Häferln, Aschenbecher, Untersetzer, Buntstifte, Lesezeichen, Bridge-Karten. Nicht zu vergessen Schönheitsprodukte oder Alkoholisches; dazu kommen noch Kürbiskerne, Lebkuchen oder Veilcheneis (jene Sorte, die Elisabeth und ihre Hofdame am Abend vor dem Attentat in Genf aßen).

Seit der Erfindung der Mozartkugel - ein wahrer Geniestreich eines Konditors - harrten touristische Schleckermäuler einer ähnlichen kulinarischen Offenbarung, die sich für den Eigenverbrauch und als Mitbringsel gleichermaßen eignet. Was Wunder, daß die einschlägige Branche begann, edel verpackte Pralines, Sissi-Taler, Sissi-Kugeln und Sissi-Veilchen, "Choco Bon Bons" et cetera auf den Markt zu werfen. Wo bei Likör in violinförmigen Flaschen ein Zusammenhang zwischen Form und Person bestehen soll, ist allerdings rätselhaft.

Damit hofften k. u. k. Hoflieferanten und solche, die es gerne gewesen wären (wenn es sie damals schon gegeben hätte), das Gedenken an den 100. Todestag der unglücklichen Frau in bare Münze zu verwandeln. Obwohl man weiß, daß die Regentin wirklich alles tat, um schlank zu bleiben und sich daher bei Süßigkeiten zurückhielt, möchte man im Konsumenten die Illusion wecken, daß Konfekt ebenso schön macht wie es jene junge Frau auf der Verpackung angeblich war.

Wer über eine größere Barschaft verfügt, kann bei Hofjuwelier Köchert sogar Nachbildungen der berühmten Haarsterne erwerben, billiger kommt Sisis Porträt auf Tüchern und T-Shirts. Eine Neuauflage eines kompletten Service von Augarten (Form Habsburg, Dekor Elisabeth, Originalservice für Kaiser Ferdinand), ist vor allem für den japanischen Markt bestimmt. Das Wiener Dorotheum bietet authentische Trophäen für Begüterte. Das Hochzeitstaschentuch aus Seidenorganza erhielt bei einer einschlägigen Auktion im März den Zuschlag bei 100.000 Schilling, ein Porträt ging um 300.000 und eine Büste um 110.000 Schilling weg.

Weltweit wird auf den TV-Schirmen eine 52teilige Trickfilmserie, "Sissi, die Prinzessin", gesendet. Das Merchandising-Programm kann zum Teil nur als kurios bezeichnet werden: Elisabeth auf Kinderschuhen, Federpenalen, Schultaschen und Kinderrucksäcken. Dazu paßt eine Füllfeder mit Krone und echt goldener Tinte. Zum Spielen gibt es Sisi-Barbie-Puppen in Abendrobe, Nachmittagskleid oder Reitkostüm. Weiters im Angebot ihr "Traumpalast" in der Pappschachtel.

Der Höhepunkt des Gedenkjahres dürfte nach dem dem Sterbedatum (10. September) sicherlich mit der Ausgabe von Gedenk-Briefmarke, Tausender-Goldsondermünze sowie verschiedener Gedenkmünzen und-jetons überschritten sein.

Ob sie das alles gefreut hätt'? Wenn die einen versucht haben, ein Bild der wahren Elisabeth zu zeichnen, haben die anderen sie zu einem hübschen Abziehbild reduziert. Nicht anders dürfte es im nächsten Jahr Johann Strauß ergehen, der schon jetzt den Takt auf den bereits produzierten Uhren schlägt.

Sisimania Eine historische Persönlichkeit zwischen Kitsch und Kommerz

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung