Spiel mit der Erwartung

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Alfred Hitchcock, der "Master of Suspense", wäre jüngst 100 Jahre alt geworden.

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Alfred Hitchcock, der "Master of Suspense", wäre jüngst 100 Jahre alt geworden.

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Es heißt, daß, würde ich Cinderella verfilmen, das Publikum nur darauf warten würde, daß plötzlich eine Leiche aus der Kürbiskutsche fällt."

Wie kein anderer hat Alfred Hitchcock es verstanden, seine Zuschauer zu fesseln, regelrecht auf die Folter zu spannen: mit psychologisch bis ins kleinste durchdachter perfekter Inszenierung des Grauens ("Psycho"; 1960, Anthony Perkins, Janet Leigh), oft in sehr komplexer Handlung ("Vertigo"; 1958, James Stewart, Kim Novak) mit vielen überraschenden Wendungen, aber auch mit seinem britischen und nicht selten makabren Humor ("Immer Ärger mit Harry"; 1956, Shirley MacLaine) oder sich bis ins Kafkaeske steigernder fast "alltäglicher" Unheimlichkeit ("Der falsche Mann"; 1957, Henry Fonda).

Die Zuschauer werden auf diverse falsche Fährten gelockt, sind aber doch immer ein wenig besser informiert als die handelnden Figuren, und müssen ohnmächtig mitansehen, wie die ahnungslosen Protagonisten in ihr Verderben rennen. Das Spiel mit der Erwartung des Publikums erweist sich als äußerst effektiv: Keine Filmszene kann so schrecklich sein wie dieVorstellung eines ungewissen Grauens. Visualisierung birgt in sich immer die Gefahr der Enttäuschung oder der Lächerlichkeit.

Mit minimalem finanziellem Aufwand hat der "Master of Suspense" aber nicht nur unvergleichliche Spannung geschaffen, sondern auch durch innovative Filmtechnik und gewagte Experimente sowie subtilen Einsatz der Farbe die Ausdrucksmöglichkeiten seines Genres revolutioniert. Er achtete auf jedes Detail, und die Filme existierten schon vor den Dreharbeiten bereits so gut wie fertig in seinem Kopf. Schauspieler und Kameraleute hatten sich dann kompromißlos nach seinen Wünschen zu richten.

Alfred Joseph Hitchcock kam am 13. August 1899 in London zur Welt, wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf und wurde streng katholisch erzogen, was ihn nachhaltig prägte und auch in seinem Filmschaffen nachvollziehbar ist. Als "schlimmer" Junge wurde er einmal auf Anweisung seines Vaters von der Polizei für zehn Minuten ins Gefängnis gesteckt, eine Strafe, die er nie vergaß und die seine Polizeiphobie verursachte. Er drehte in seinem Leben über 50 Filme, zunächst in England, später in den USA (zum Beispiel "Rebecca"; 1940, Hitchcocks erster Film in Hollywood, nach dem berühmten Roman von Daphne du Maurier).

Sein Markenzeichen, ein persönlicher Kurzauftritt in allen Filmen seit "Der Mieter" (1926), mußte alsbald an den Anfang verlegt werden, damit das Publikum durch die Erwartung, irgendwann einmal den Meister zu sehen, nicht von der Spannung der eigentlichen Handlung abgelenkt wurde. Zu seinem unglaublichen Erfolg bereits zu Lebzeiten bemerkte Alfred Hitchcock selbst etwas ironisch, auch seine schlechtesten Filme würden spätestens ein Jahr nach ihrem Entstehen als Klassiker gehandelt.

Am 29. März 1980 starb er, der so viele gewaltsame Tode inszeniert hatte, in Los Angeles an einem Nierenversagen.

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