Virtuell, aber doch höchst real

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71 Prozent der Österreicher sprächen sich für ein Burkaverbot aus. Dies verlautete Anfang der Woche die von einem Nachrichtenmagazin beauftragte Motivforscherin.

Natürlich ist diese Angabe mit allergrößter Vorsicht zu genießen: Denn es sollte sich schon herumgesprochen haben, dass solche, meist auf Telefoninterviews beruhende Momentaufnahmen von Volkes Stimme nicht immer die Aussagekraft haben, die sie vorgeben.

Die überwältigende Mehrheit der Befragten hat vermutlich noch nie eine Burkaträgerin und höchst selten eine Ganzköperverschleierte auf Österreichs Straßen entdeckt. Leider heißt das nicht, dass die Auseinandersetzung darüber obsolet wäre.

Induzierte Ablehnung

Europaweit ist hier wieder einmal eine Diskussion auf symbolischer und nicht genuin politischer Ebene im Gang. Nirgendwo in Europa stellt "die Burka“ nämlich ein Problem dar. Nicht in Frankreich, wo ihr Tragen seit April verboten ist, nicht in Belgien, wo ein analoges Gesetz seit 23. Juli in Kraft ist, nicht in Italien, wo sich nun die Abgeordnetenkammer derzeit damit auseinandersetzt. In Spanien tat der Senat das Nämliche, und auch die niederländische Regierung hat ein entsprechendes Vorhaben angekündigt.

Und wie oben zitierte Umfrage zeigt: Auch hierzulande kann man mit der Frage Ablehnung induzieren. Insofern stellt die virtuelle Frage (es gibt - rein pragmatisch - eben einfach zu wenig Ganzkörperverschleierte, als dass es dazu irgendeiner Regelung bedürfe) aber doch ein reales politisches Problem dar.

Selbst konservative Stimmen aus Frankreich hatten die dortige Burka-Diskussion bald als Populismus des angeschlagenen Nicolas Sarkozy entlarvt. Wider besseres Wissen folgten Parlament und hohe Politik jedoch dem Ansinnen und sprachen den Burka-Bann aus. Auch in Belgien nimmt sich die nämliche Diskussion absurd aus angesichts der Staatskrise und der Unfähigkeit der Politik, einen Modus vivendi für die Nationalitäten zu entwickeln.

Es gibt gute Gründe, sich gegen die Art und Weise, wie diese "Burka-Diskussion“ geführt wird, zu wehren: Zum einen gilt es, die notwendige Kraft zur Auseinandersetzung auf reale gesellschaftliche Probleme aufzuwenden und nicht auf symbolische Fragen.

Zum anderen nützt es allerdings auch wenig, die Augen davor zu verschließen, dass das Zündeln auf einer Nebenfront zum politischen Flächenbrand werden kann, wenn man nicht von Anfang an wachsam bleibt.

Politische Sackgassen

Man erinnere sich an die Anti-Minarett-Initiative in der Schweiz, die von der gemäßigten Politik wie von der Zivilgesellschaft wie von den Muslimen selber so lange als Quantité négligeable ignoriert wurde, bis das Land mit einem Minarettverbot dastand. Religionsfreiheit hin oder her: Nun ist die Schweiz in eine religionspolitische Sackgasse geraten, aus der zu entkommen kurzfristig kaum möglich scheint.

Zum Dritten geht es nicht nur um pragmatische Politik, sondern auch ums Grundsätzliche. Denn die Diskussion um die - nicht existente - Burka ist auch eine Facette des in Bezug auf die Muslime grassierenden Sündenbock-Mechanismus. Da geht es eben nicht um reale Probleme, aber um reale Projektionen. Man weiß aus der jüngeren Historie zur Genüge, wie gefährlich solche Mechanismen werden können.

Auch von daher lautete ein Gebot der Stunde, ganz unpopulistisch Augenmaß zu bewahren. Die politischen Player im Lande könnten ja einmal eine Schwächeperiode der hiesigen Populisten in diese Richtung nutzen: Solange Strache und Co. sich mit Uwe Scheuch sowie - trotz Ausschluss ihres Nationalrats Werner Königshofer - damit herumschlagen müssen, sich vom rechtsrechten Rand nicht glaubhaft zu lösen zu können, wäre ja eine entsprechende Atempause da.

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