Wegweisender Ästhet, begeisterter Erneuerer

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Ende Jänner demonstrierte Gerard Mortier mit der Uraufführung von "Brokeback Mountain“ von Annie Prolx und Charles Wourinen noch einmal sein untrügliches Gespür für neues Musiktheater. Der letzte öffentliche Auftritt des bedeutenden Theatermannes, der knapp nach seinem 70. Geburtstag den Folgen seiner Krebserkrankung in Brüssel erlegen ist. Dort, wo sein Stern zu leuchten begann: als Direktor des Théâtre de la Monnaie. Pierre Chéreau, Luc Bondy, Peter Stein, Ruth Berghaus, Peter Sellars und die Herrmanns waren die von ihm favorisierten Regisseure, mit denen er seine ästhetischen Vorstellungen umsetzte, dafür Zuspruch wie Ablehnung provozierte - und jedenfalls nicht nur sein bis dahin weniger beachtetes Haus, sondern auch sich selbst als leidenschaftlichen Erneuerer in die Schlagzeilen brachte. Bald gab es kaum mehr einen Intendantenposten, für den er nicht genannt wurde. "Theater ist eine Religion des Menschlichen“, kann man in seinem in diesen Tagen herauskommenden Buch "Oper mit Leidenschaft“ lesen. Ironie des Schicksals, dass er die Präsentation dieser Lebensbilanz nicht mehr erleben kann, in der er auch anmerkt, dass Theatermachen "eine Sendung, ein priesterliches Amt“ ist.

Kein Zufall, dieser Vergleich, schließlich erhielt der am 25. November 1943 in Gent als Sohn eines Bäckers geborene spätere mehrfache Intendant seine prägende Ausbildung am Jesuitenkolleg seiner Heimatstadt. Nach einem Jus-Studium, das er mit 22 Jahren abschloss, zog es ihn zum Theater. Zuerst in die Organisation des Flandern-Musikfestivals, dann in die Betriebsbüros der Opernhäuser von Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt und Paris, wo er zum engen Mitarbeiter von Rolf Liebermann und Christoph von Dohnányi wurde. Nach Brüssel wirkte Mortier, was er im Rückblick als Höhepunkt seiner Karriere bezeichnete, von 1991 bis 2001 als Salzburgs Festspielintendant. Er sorgte mit seinen thematischen Programmen für eine bewusste Neuorientierung nach Karajan, kreierte, was kaum jemand für möglich gehalten hatte, eine Ära. Mit dem "Zeitfluss“-Festival gab er der zeitgenössischen Musik ein attraktives Podium und förderte damit einen seiner Nachfolger, Markus Hinterhäuser.

Nach Salzburg war der medienbewusste Theatermacher Gründungsintendant der Ruhrtriennale, Chef der Opernhäuser von Paris und Madrid, wo er miterleben musste, dass man ihn vorzeitig absetzte. Mit dem jüngsten Uraufführungserfolg schaffte er ein letztes Mal den ihm gebührenden Platz an der Sonne.

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