Werbung
Werbung
Werbung

Nur wenigen Zuschauern war Christoph Waltz ein Begriff – bis er in„Inglorious Basterds“ die Rolle seines Lebens fand. Ein Gespräch über den neuen Ruhm, das Arbeiten mit Quentin Tarantino, die Gefahr, Hollywoods Parade-Nazi zu werden, sowie darüber, warum Kino viel besser als Fernsehen ist. Das Gespräch führten Matthias Greuling und Alexandra Zawia

Für die Darstellung des SS-Offiziers Hans Landa in Quentin Tarantinos Farce „Inglorious Basterds“ wurde Christoph Waltz auf dem diesjährigen Filmfestival Cannes zum besten Schauspieler gekürt. Demnächst läuft der Film auch in Österreich an.

Die Furche: Herr Waltz, immer werden Sie nun gefragt, wie es ist, mit Quentin Tarantino zu arbeiten. Aber wie ist es, mit Christoph Waltz zu arbeiten?

Christoph Waltz: Ich glaube, wenn es gut läuft, ist es sehr angenehm, mit mir zu arbeiten. Es läuft aber nicht immer automatisch so gut. Dann wird es schwierig. Weil ich nicht locker lassen will. Und wenn dann einer sagt: „Das war doch jetzt gut genug“, dann sage ich: „Vielleicht für dich, aber für mich nicht. Ich will noch mehr.“ Ein Kaliber wie Tarantino ist mir diesbezüglich noch zehn Schritte voraus. Wenn ich schon gefährlich nahe an etwas komme, bei dem ich den Eindruck habe: „Ja, das scheint mir gut gelungen zu sein“, kommt er und sagt: „Dreh alles um. Alles!“

Die Furche: Filme über den Nationalsozialismus gibt es viele. Haben Sie sich bei „Inglorious Basterds“ je gefragt, wie weit Sie gehen dürfen? Auch, wie weit man eine Erblast hinter sich lassen darf?

Waltz: Von der Last lösen geht nicht, zumindest nicht für mich. Der Film ist auch nicht von der Last gelöst, aber er findet einen anderen Ansatz, nicht den unerfüllbaren Ansatz der behaupteten Geschichtsschreibung, den ich ablehne. Viele Regisseure behaupten mit ihren Filmen, eine Form von Geschichtsschreibung zu betreiben. Das finde ich lachhaft. Sie bedienen sich des Bewusstseins des Zuschauers über dieses Thema – egal wie es geartet sei –, um es als dekorativen Hintergrund für ihre Abenteuergeschichten zu verwenden. Dabei können sie immer sagen: „Nein, das ist nicht nur eine Abenteuergeschichte, das ist wirklich.“ Aber es ist eine Abenteuergeschichte, aus dem einfachen Grund, weil es ein Film ist. Das ist Fiktion. „Inglorious Basterds“ behauptet nie, Geschichtsschreibung im historischen Sinn zu sein. Das ist eine Geschichte, die Quentin Tarantino erzählt, und die ist, was die Auseinandersetzung mit dem Thema betrifft, ungleich inspirierender als die ewige Bestätigung der Tatsache, dass wir mit unserem vorgefassten Urteil ohnehin auf der richtigen Seite stehen und uns eigentlich nicht weiter damit zu befassen bräuchten. Und warum sollen wir nicht Spaß dabei haben? Warum muss Auseinandersetzung immer schwer sein?

Die Furche: Werden Sie von nun an der Parade-Filmnazi sein, also den Albtraum jedes deutschsprachigen Schauspielers in Hollywood durchleiden? Was denken Sie über diese Form von Verallgemeinerung?

Waltz: Diese Rolle war so grandios, aber Nazis spielen zum Broterwerb, das ist mir zu banal. Nicht unbedingt, weil es Nazis sind, sondern: Ich würde das fad finden. Bei der Rolle des Hans Landa in „Inglorious Basterds“ war es die Herausforderung, diese Person nicht zu beurteilen. Es ging ganz klar darum, keine Meinung zu haben. Vor allem für mich, der ich permanent zu allem eine Meinung habe. Es ging nicht einmal um die Frage: Wie würde dieser SS-Offizier empfinden? Solche Ansätze verstehe ich nicht: Method Acting oder Ähnliches. Sondern: Einfach keine Meinung zu haben, nur die Figur anzusehen: Was macht er, was sagt er? Dann stellt sich sofort das Vergnügen ein und man merkt: Keine Meinung zu haben, befreit. Und das sage ich, der ich selbst sehr vorurteils- und meinungsbezogen bin. Aber keine zu haben, das war für diese Figur notwendig. Für Leute, die in einer Gesellschaft aufwachsen, in der der Nationalsozialismus noch immer ein so großes Thema ist, stellt sich das völlig anders dar als für Außenstehende, die auf diese Gesellschaft blicken. Für einen Amerikaner ist es relativ leicht zu denken, da drüben in Deutschland und Österreich gibt es lauter Nazis. Aber wenn man selbst aus Wien, der sogenannten Hauptstadt des Antisemitismus, kommt, sieht es anders aus. Heißt das, dass in Wien alle Menschen Antisemiten sind? Natürlich nicht!

Die Furche: Fernsehzuschauer kennen Sie als Bösewicht aus Krimiserien, aber auch als Schlagerstar in der „Roy Black-Story“. Welches Verhältnis haben Sie zum Fernsehen?

Waltz: Ich gehe eindeutig lieber ins Kino. Kino macht Sinn, Fernsehen nicht wirklich. Da sitzt man alleine oder zu zweit und überlegt, was man noch alles tun muss. Ich habe zwar zig Kanäle, einen Rekorder und tausend Fernbedienungen – aber seitdem alles digital ist, schau ich kaum mehr fern. Ich war noch nie ein großer Fernsehkonsument, aber nicht deswegen, weil ich ein Snob bin. Ich bin zwar einer, aber das ist nicht der Grund. Ins Kino gehen, das nimmt man sich vor, engagiert den Babysitter, hat eine Erwartung, die entweder enttäuscht oder bestätigt wird, sitzt zusammen mit 200 Menschen wie vor zwei-, drei-, fünftausend Jahren und lässt sich was erzählen – ein fantastisches soziales und psychologisches Erlebnis. Wann hatten Sie dieses Gefühl zuletzt beim Fernsehen?

Die Furche: Aus Christoph Waltz, dem Fernsehschauspieler, ist über Nacht Christoph Waltz, der Filmstar, geworden. Wie finden Sie das?

Waltz: Man muss das relativieren. Nur, weil der Film ein internationaler ist, heißt das noch nicht, dass ich demnächst ein weltweit gefragter Star sein werde, der mal in den USA, mal in Hongkong dreht. Außerdem: Was ist Hollywood? Das ist so wie die Großwetterlage. Es interessiert mich, ob es hier regnet. Aber wie es dem Golfstrom geht, ist mir ehrlich gesagt wurscht. So ist es ein bisschen mit Hollywood – ich weiß nicht, was das ist. Wenn es einen interessanten Part in einem interessanten Film gibt, der mir angeboten wird, dann interessiert es mich überhaupt nicht, wo dieser Film gedreht wird oder wie groß die ganze Finanzierungsorganisation dahinter ist.

Die Furche: Welchen Ihrer bisherigen Filme empfehlen Sie jemandem, der mehr über Sie erfahren möchte?

Waltz: Das kann ich Ihnen sehr konkret beantworten: „Inglorious Basterds“, „Inglorious Basterds“, „Inglorious Basterds“.

Die Furche: Was, wenn diese Rolle schon die beste Ihres Lebens war?

Waltz: Das könnte gut sein.

Die Furche: Wie geht man damit um? So unvermittelt die „Lebensrolle“ zugespielt zu bekommen – und danach wissen zu müssen: Besser wird es vielleicht nie wieder?

Waltz: Diese Frage versuche ich mir momentan selbst zu beantworten. Ich weiß es nicht. Ich denke mir oft, dass dies die Rolle meines Lebens war, zumal sie 30 Jahre brauchte, bis sie kam. Und die für den überwiegend großen Teil der Schauspieler nie kommt. Ich habe nicht mehr damit gerechnet, ehrlich gesagt. Nun frage ich mich: Wie wappne ich mich? Nicht dagegen, sondern dafür. Dass jetzt die nächsten 20 Jahre wieder ruhig verlaufen. Keine Ahnung, es wird schwierig werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung