In die Welt - © Foto: unsplash/freestocks

"In die Welt": Dokumentarfilm über die Wiener Semmelweisklinik

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Zwischen Geburts-Erlebnis und Klinikroutine, freundlichen Kreißsälen und hoher Kaiserschnittrate. Constantin Wulff porträtiert die Wiener Semmelweis-Klinik.

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Zwischen Geburts-Erlebnis und Klinikroutine, freundlichen Kreißsälen und hoher Kaiserschnittrate. Constantin Wulff porträtiert die Wiener Semmelweis-Klinik.

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Er habe es geliebt, täglich in der Früh mit der Straßenbahn zur Arbeit zu fahren, seinen Dienst anzutreten und dort seine Arbeit zu tun, so wie auch das Personal, erzählte der Filmemacher Constantin Wulff kürzlich in einem APA-Gespräch. Sein Dienst – das waren die Dreharbeiten für seinen Film „In die Welt“, der nun in den Kinos anläuft (siehe unten). Der Dokumentarfilmer präsentiert ein Porträt der Semmelweis-Klinik, zugleich auch ein Porträt eines Krankenhaus-Betriebes in all seinen Facetten.

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Mit der Linie 41 zur Bastion

Und so wie Wulff es liebte, mit der Straßenbahnlinie 41 Richtung Pötzleinsdorf zu fahren, so ergeht es wohl auch vielen werdenden Eltern, die den Moment ängstlich herbeisehnen, wenn sie ebenso in den 18. Bezirk, zur Klinik inmitten hoher Bäume, fahren dürfen, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen. Die Motive, warum sich Schwangere angesichts des reichhaltigen Angebots geburtshilflicher Abteilungen gerade für die Semmelweis-Klinik entscheiden, sind freilich unterschiedlich, in vielen Fällen dürfte aber das Image der Klinik eine Rolle spielen: So bezeichnet sich das Krankenhaus in der Bastiengasse als die „sanfte Klinik für die Frau“ und gilt auch als Bastion für natürliche Geburt und Hebammenarbeit. Doch ist sie das immer noch, fragen sich manche Beobachterinnen und werdende Eltern, haben nicht schon die allermeisten Geburtsabteilungen Gebärhocker und Wanne und werben mit individueller Betreuung?

Die nun 65-jährige Semmelweis-Klinik – mit ca. 2500 Geburten im Jahr eine der größten Abteilungen dieser Art in Wien – steht wie die gesamte Geburtshilfe vor Herausforderungen: Wie reagieren auf wachsende Kaiserschnittraten, wie die Bedürfnisse von Frauen umsetzen, wie auf den forensischen Druck reagieren? Das sind nur einige der aktuellen brennenden Fragen.

Alfred Rockenschaub setzt sich vehement für die Hebammenarbeit ein und kritisierte nicht zuletzt in seinem Buch „Gebären ohne Aberglauben“ die (wieder) wachsende Technisierung der Geburtshilfe und die starke Zunahme des Kaiserschnitts.

Lange galt die Semmelweis-Klinik als Vorreiterin in Sachen natürlicher Geburt, als Gegenpol zu Verfechtern der programmierten Entbindung, mit der Frau still am Rücken liegend. Vor allem unter der Führung von Alfred Rockenschaub (Leiter von 1965 bis 1985) wurde dieser Ruf etabliert. Rockenschaub führte 1976 das Rooming-In ein. Der heute 88-jährige Mediziner setzt sich vehement für die Hebammenarbeit ein und kritisierte nicht zuletzt in seinem Buch „Gebären ohne Aberglauben“ die (wieder) wachsende Technisierung der Geburtshilfe und die starke Zunahme des Kaiserschnitts.

Diese machte auch vor der Semmelweis-Klinik nicht halt. Die Sectio-Rate liegt bei ungefähr 25 Prozent, sagt die leitende Hebamme Dany Herzlinger. Das ist auch die österreichweite Rate (2006: 25,8%). Bereits unter Michael Adam, der die Klinik zwischen 2003 und 2007 leitete, kam es zu dem Anstieg. Adam, der 17 Jahre lang das Geburtshaus Nussdorf leitete, konnte sich den Anstieg nicht ganz erklären. Der forensische Druck sei ein gewichtiger Grund, sagt er. Adam arbeitet zurzeit daran, das Wahlhebammen-Projekt für Abteilungen des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) wieder auf die Beine zu stellen. Dieses Projekt, bei dem Frauen ihre eigene Hebamme mit in ein Krankenhaus nehmen konnten, die dann auch die Geburt leitete, wurde 2007 aufgrund rechtlicher Unsicherheiten ausgesetzt. Nun wird an einer Lösung gearbeitet.

Wie also die Klinik im Jahr 2008 positionieren? Die jetzige Leiterin Petra Kohlberger stand aus „Zeitgründen“ nicht für ein Gespräch bereit. Wilhelm Marhold, Generaldirektor des KAV betont, dass die Klinik ihre Stärken noch weiter ausbauen werde, nämlich die Zuwendung und Betreuung der werdenden Eltern. Deren Zufriedenheit sei jetzt schon sehr hoch: Marhold verweist auf eine Erhebung bei ehemaligen Gebärenden, wonach 91 Prozent angaben, ihr nächstes Kind wieder dort entbinden zu wollen. Moderne Geburtshilfe solle das ernst nehmen, was Frauen wünschen, aber diese müssten umfassend aufgeklärt werden, meint Marhold zur hohen Kaiserschnittrate: Es sollte keine Ideologie daraus gemacht werden.

Zurzeit herrscht die Meinung vor, dass man sich auf der sicheren Seite befindet, wenn eine Sectio gemacht wird.

Dany Herzlinger

„Keine Ideologie im Kreißsaal“

„Wir bemühen uns sehr, die Frauen nicht spüren zu lassen, dass sie in einem großen Klinikbetrieb sind, sondern sie als Personen wahrzunehmen“, betont Hebamme Herzlinger und hofft, dem Image der „sanften“ Klinik gerecht zu werden. Man bemühe sich zudem, die Kaiserschnittrate zu senken. Dennoch: „Zurzeit herrscht die Meinung vor, dass man sich auf der sicheren Seite befindet, wenn eine Sectio gemacht wird“, sagt sie und hofft, dass sich diese Meinung bald ändert. Sie versichert auch, dass im Klinikbetrieb Zeit fürs Warten sei, was wesentlicher Teil der Geburtshilfe darstelle. Dieser Aspekt habe ihr im Film „In die Welt“ etwas gefehlt, in dem auch Herzlinger gefilmt wurde.

Die Klinik wartet nun auf ihren Umzug, der in einigen Jahren ins neue Krankenhaus Nord in Floridsdorf erfolgen soll. Das Label „Semmelweis-Frauenklinik“ ist gesichert, nachdem vor Jahren sogar die Schließung des Hauses diskutiert worden war. Der Standort selbst wird ab etwa 2013 Geschichte sein. Die dann verwaisten Gebäude sollen als Geriatriezentrum fungieren, so schließt sich der Kreis für einige, die dort geboren wurden.

In die Welt - © Polyfilm
© Polyfilm
Film

In die Welt

Ö 2008.
Regie: Constantin Wulff.
Polyfilm. 88 Min.

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