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Österreich-Klischees: Keine Heroen, viele Phäaken

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Die Österreicher übertreffen in ihrem Nationalstolz Franzosen, Schweizer und Deutsche; bloß die USA und Großbritannien weisen einen höheren Anteil an Bürgern auf, die auf ihre nationale Zugehörigkeit „sehr stolz" sind. Zu diesem Schluß kommt - anhand international vergleichbarer sozialwissenschaftlicher Studien - der Sozialhistoriker Ernst Bruckmüller.

Worauf sich der österreichische Nationalstolz konkret bezieht, woraus er sich nährt und welchen Veränderungen er unterworfen ist, ist das Thema von Bruckmüllers - gerade am Vorabend der EU-Volksabstimmung brandaktuellem - jüng

stem Buch „Österreichbewußtsein im Wandel" (dazu auch Seite 1).

Auch für den Autor ist das Ausmaß des österreichischen National-bevraßtseins überraschend, da dieses „keine Heldenfiguren" kenne, sondern sich vor allem auf „die schöne Landschaft", „politischen und sozialen Frieden" und „sympathische Menschen" begründe. Bemerkenswert ist auch, daß mit dem Stolz auf die Heimat eine im internationalen Vergleich erstaunliche Skepsis gegenüber den staatlichen Autoritäten (Politik, Parlament, Regierang, Polizei et cetera) einhergeht.

Nicht nur in der Einschätzung durch das Ausland, sondern auch durchaus im eigenen kollektiven Selbstbewußtsein fest verankert ist

hingegen das Klischee des Phäaken („…immer ist’s Sonntag, es dreht imrner am Herd sich der Spieß"); die Österreicher sehen sich gerne als lebensfroh und gemütlich, aber weniger leistungsorientiert.

Breiten Raum widmet Brackmüller der historischen Entwicklung der „Nationsbildung" bis in die jüngste Gegenwart. Beleuchtet wird auch die Rolle des Katholizismus, die -laut Repräsentativumfragen - im Bewußtsein der Bevölkerang weit weniger verankert ist, als es auf-grand der Geschichte Österreichs anzunehmen wäre.

So differenziert und unkonkret das kollektive Selbstbewußtsein der Österreicher auch sein mag, eines ist jedenfalls eindeutig: daß Österreich

eine Nation ist. Während 1964 bloß 47 Prozent der Befragten angaben, daß die Österreicher eine Nation sind (15 Prozent „keine Nation", 23 Prozent „beginnen sich langsam als Nation zu fühlen"), so haben sich die Einschätzungen bis zur jüngsten entsprechenden Umfrage 1993 eindeutig verschoben: demnach meinen 80 Prozent, der österreichischen Nation anzugehören, 12 Prozent „beginnen sich langsam als Nation zu fühlen" und nur mehr für sechs Prozent sind die Österreicher „keine Nation".

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