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Die Nation ist selbstbewußt

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Der heutige „Bund von Österreich", der Bundesstaat, fußt im wesentlichen auf dem um 1500 unter Maximilian I. fast mit den Grenzen des heutigen Gemeinwesens erreichten „Staat von Österreich" (Austria, Stato de Austria, für 1495 nachweisbar!) als einer auf dem Generallandtag zu Innsbruck 1518 beurkundeten Verteidigungsgemeinschaft der heutigen Bundesländer (Kriegsli-bell).

Sie hat 1522 die aus dem Ringen um die habsburgischen Hausteilungsverträge zwischen Karl V. und Ferdinand I. zu Worms und Brüsselsich ergebendeterritoriale Zerreißprobe bestanden. Die sich kurz darauf zufolge der Katastro-

phe bei Mohäcs und der Osma-- nengefahr 1526/27 bildende Drei-heit der Ländergruppen Österreich, Böhmen, Ungarn, hat die -immer wieder gehemmte- Staatswerdung dieses ihres politischen Kerngebildes (von Österreich ging die Vereinigung mit Böhmen und Ungarn aus) — in der Sicht vieler Historiker überschattet, ja in ihren Werken fast unkenntlich werden lassen, bis dieses norische Österreich (seine territorialePrä-figuration ist das Regnum Nori-cum im ersten vorchristlichen Jahrhundert) 1918 beim Zerfall der Donaumonarchie schmerzhaft freigelegt imd dabei verstümmelt worden ist (Südtirol, Südsteiermark).

Aber erst aus blutigen Lehren der Geschichte, nach verlustreichen inneren Entzweiungen (1927, 1934) hat es unter dem Drucke auswärtiger Unterjochung (1938) und erzwungener Teilnahme seiner Bevölkerung am Zweiten Weltkrieg zu sich selber gefunden.

Das gestärkte Selbstbewußtsein, der Stolz auf die eigene Leistung, der Hand in Hand ging mit einer neuen Besinnung auf die uralten Wurzeln des Gemeinwesens, führten zu einer solchen Stärkung des Österreichbewußtseins, daß man es als Nationalbewußtsein ähnlich dem der Schweiz und der Niederlande bezeichnen muß. Wir haben für diese doch sehr durchgängige Bewußtseinslage keine andere Bezeichnung als die der Nation: Es ist eine Bundesnation und eine Vaterlandsnation, aber in hohem Maße auch eine Kulturnation.

Die seit 1956 durchgeführten zehn Meinungsbefragungen zu diesem Thema zeigen, daß die Österreicher, insbesondere die jüngere Generation, dies zunehmend als Selbstverständlichkeit empfinden.

Nach dem Ergebnis der Umfrage des österreichischen Gallup-

Instituts im Juli 1970 („österreichische Nation" 66%, „Nation im Werden" 16%, ,4ceine Nation" 8%) ergab die Befragung einer repräsentativen Stichprobe von 2007 Österreichern durch das Institut für empirische Sozialforschung IFES, Dezember 1973: „Die Österreicher sind eine Nation" 62%, „Die Österreicher beginnen sich langsam als Nation zu fühlen" 12%, „Weiß nicht" 19%, „Die Österreicher sind keine Nation" sieben Prozent.

Die Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft in Wien (Bericht September 1977) erhob unter 1949 Österreichern: „Nation" 62%, .langsam als Nation" 16%, „Weiß nicht" 11%, „keine Nation" elf Prozent.

Da der Unschärfe-Faktor solcher Umfragen zwei Prozent auf oder ab beträgt, widerspricht dies nicht dem IFES-Ergebnis von 1973. Vielmehr wurde die sich abzeichnende Festigung des österreichischen Nationalbewußtseins durch eine zwei Jahre später durchgeführte Umfrage (2014 Befragte) derselben Studiengesellschaft (Bericht Ende Dezember 1979) bestätigt: 68:14:12:6 Prozent

Da man auch jene zu den Be-kennern einer „österreichischen Nation" zählen muß, die meinen, die Österreicher seien auf dem Weg dazu, kann man nicht daran zweifeln, daß heute über drei Viertel der Österreicher Bejaher der österreichischen Nation und ihres Staates sind, an den sie sich emotionell und institutionell gebunden fühlen.

Dieses Ergebnis wurde durch die im Februar/März 1980 von der überparteilichen Paul-Lazars-feld-Gesellschaft (Arbeitsgemeinschaft Fessel-IFES) veranstaltete repräsentative Meinungsumfrage (2000 Männer und Frauen ab 16 Jahren) noch bekräftigt. Demnach bekannten sich 86% zur Österreichischen Nation insofern, als 67% sie als existent und 19% sie als in) Werden befindlich erachteten, indes nur 11% sie verneinten und 3% sich im unklaren waren. Dieses Ergebnis wiirde schon am österreichischen Nationalfeiertag 1980 von Bundeskanzler Kreisky im Ministerrat gewürdigt.

Ein Blick zurück auf die Verhältnisse vor 25 Jahren — seit damals (1956) haben zehn substantielle Umfragen zum Thema stattgefunden - bestätigt eine erstaunliche organisch sich entwickelte Verstärkung des Nationalbewußtseins: 1956 (Fessel-Umfrage) standen nämlich nur 49% für die österreichische Nation ein (damals unter dem Begriff: eigenes österreichisches Volk), indes sie noch für 46% nicht vorhanden war ( die Österreicher gehören zum deutschen Volk). Heute sind es im Durchschnitt nur noch 8 bis 9%, welche die österreichische Nation verneinen.

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