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Die Exekutive soll künftig auch in Österreich heimlich Computer ausspähen dürfen. Dies ruft Datenschützer und Verfassungsrechtler auf den Plan.

Ich habe manchmal den Eindruck, wir werden ähnlich stark überwacht wie seinerzeit die DDR-Bürger von der Stasi", sagte vor wenigen Wochen der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Karl Korinek. Sein Gefühl dürfte sich durch die geplante Ausweitung der polizeilichen Ermittlungsbefugnisse auf das Internet nicht verflüchtigen.

Am 17. Oktober verkündeten Innen- und Justizministerium die grundsätzliche Einigung über die "Erweiterung des Ermittlungsinstrumentariums zur Bekämpfung schwerer, organisierter und terroristischer Kriminalitätsformen". Herzstück der Reform ist die Online-Durchsuchung. Mittels spezieller Computerprogramme, sogenannter "Trojaner" (siehe Kasten) soll es Ermittlern künftig in begründeten Fällen ermöglicht werden, über das Internet unbemerkt auf Computer von Verdächtigen zuzugreifen und systematisch zu durchsuchen. Auch sollen auf diese Weise Emails, Chats und Internet-Telefonate überwacht werden, um Tatpläne und Tatbeteiligte auszuforschen.

Wer schützt wen?

Bürgerrechtler und Computerexperten melden schwere Bedenken an und befürchten die Aushebelung des Rechtsstaates. Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk weist darauf hin, dass die Verfassung den Bürger vor gravierenden Eingriffen wie die diskutierte heimliche Ausspähung persönlicher Daten schützt. Diese Grundrechte dürfen nur dann verletzt werden, wenn es sich "um einen Eingriff handelt, der dringend geboten ist". Zudem muss ein solcher Eingriff "maßhaltend und zielführendes Mittel für das sein, was man erreichen will", was Funk bezweifelt. Justizministerin Maria Berger weist derartige Kritik zurück. Schließlich kann auch das Briefgeheimnis und das Fernmeldegeheimnis per Richterbeschluss außer Kraft gesetzt werden, dennoch sind beide Gesetze verfassungskonform.

Experten beanstanden, "dass die Online-Durchsuchung auch das Anlegen und Verändern von Dateien auf dem durchsuchten Computer erlaubt", so ein Vertreter des Chaos Computer Club (CCC) im Spiegel-Interview vom 6. Februar 2007. Somit könnten "Beweismittel per Mausklick problemlos und spurenfrei auf dem infiltrierten Rechner angelegt oder manipuliert werden. Dem Verdächtigen bliebe im Zweifel keine Chance, eine Manipulation an seinem Computer nachzuweisen." Heimlich eingeschmuggelte kinderpornografische Bilder würden bereits ausreichen, um missliebige Personen mundtot zu machen, warnt der CCC. Zudem besteht die Gefahr, dass gewonnene Daten missbräuchlich für andere Zwecke weiterverwendet werden. Für den Direktor des Bundeskriminalamtes Herwig Haidinger ist dagegen die "verdeckte Ermittlung auf elektronischer Ebene" absolut notwendig. "Dass wir das brauchen, ist für uns Experten klar", sagte er gegenüber dem ORF-Radio und der Austria Presse Agentur.

Einfach sprachlos

Für ein Interview mit der Furche standen Haidinger wie auch Innenminister Günther Platter nicht zur Verfügung. In anderen Medien wird Platter damit zitiert, dass er die Vorzüge der neuen Ermittlungsmethode lobt: "Wir können zurückblicken in die Vergangenheit", erklärt er den Unterschied zwischen Online-Durchsuchung und dem Großen Lauschangriff, der 1997 eingeführt wurde. Die Kritik, dass der Staat mit der neuen Methode die eigenen Bürger noch stärker überwacht, weist der Minister zurück. Die Behörden haben bewiesen, "dass sie von neuen Überwachungsmöglichkeiten zurückhaltend und verhältnismäßig Gebrauch machen". Damit das so bleibt, hatte die Justizministerin den Entwurf des Innenministeriums zur Online-Durchsuchung kräftig abgespeckt. Laut Kompromisspapier sollen die neuen Polizeibefugnisse nur noch bei Verdacht auf schwere bzw. terroristische Verbrechen sowie bei dringendem Tatverdacht auf Unterstützung terroristischer Vereinigungen eingesetzt werden dürfen und erfordern eine richterliche Genehmigung. Günther Platter hatte, ebenso wie BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz, noch eine möglichst umfassende Überwachung ohne richterliche Kontrolle gefordert. Weiters gibt es "strenge Vernichtungsregeln von unzulässig ermittelten oder für die Untersuchung nicht bedeutsamer Daten". Zufallsfunde dürfen nicht verwendet werden. Die Durchsuchung selbst unterliegt einer nicht näher spezifizierten Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragen im Innenministerium. Die Datenschutzkommission erhält ein Beschwerderecht. Weiters wird die Online-Durchsuchung in den jährlichen Bericht über besondere Ermittlungsmaßnahmen aufgenommen, der dem Parlament, dem Datenschutzrat und der Datenschutzkommission vorzulegen ist.

Die Befugnisse der Fahnder umfassen somit: die Online-Durchsuchung, den großen Lauschangriff, die Rasterfahndung, den neuen IMSI-Catcher (siehe Text unten) sowie die zu erwartende Umsetzung der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung sämtlicher Telefon- und Internet-Verbindungsdaten. Zurück bleibt ein Gefühl der Skepsis und der Angst. Laut einer aktuellen Umfrage des Klagenfurter Humaninstitutes glaubt nur ein Viertel der Österreicher an die versprochenen Segnungen der neuen Fahndungsmethoden. Knapp die Hälfte fürchtet die Einschränkung von Bürgerrechten. Ein ebenso großer Teil sieht Österreich auf dem Weg zum Überwachungsstaat.

Der Autor ist freier Journalist.

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