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Das Christushaupt von Cäsarea

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Eine Entdeckung, die für die christliche Ikonographie bedeutungsvoll werden kann, war jüngst Dr. Roche, dem Direktor des Museums von Haifa, beschieden. In den Besitz der Sammlung gelangte ein Steinkopf, etwa halber Lebensgröße, der aus dem Besitz des Dormitio-Museums in Jerusalem stammt und (nach dem Inventar jener Sammlung) in den neunziger Jahren von einem Dominikaner in den Ruinen Cäsareas gefunden wurde.

Material der Plastik ist jener Halbmarmor der Karmelbrüohe, aus dem die meisten Bildwerke Cäsareas gemeißelt sind. Der Ausdruck des' bärtigen Hauptes ist voll väterlicher Güte, schlicht, menschlich. Die Behandlung des geteilten Haares, des zweispitzigen Bartes, der ganze Gesichtsschnitt scheinen Deutung und Datierung zu erleichtern. Auf den ersten Blick scheint deutlich, daß es sich um einen Christuskopf handelt, den ein südfranzösischer Steinmetz des 13. Jahrhunderts für eine Kreuzfahrerkirche Cäsareas geschaffen hat. Tatsächlich war die Skulptur im Museum der Dormitio dementsprechend katalogisiert.

Das Hinterhaupt der Statue ist konvex abgemeißelt. Es weist das Negativ der Schmuckleiste, eines Rundbogens auf und hat eine quadratische Ausnehmung, in die offenbar ein Bolzen zur Befestigung paßte. Dr. Roche hat nun im Garten des griechischen Klosters von Cäsarea Bruchstücke des monumentalen Bogens entdeckt, von dem der Kopf im Museum stammt! Es ist der Torbogen des Jupitertempels. Das Ornament paßt in, das Negativ des Hauptes mit einer noch erhaltenen viereckigen Projektion. Derart ist klargestellt, daß dieser bärtige Kopf den Scheitel des Tempeltores zierte und als Darstellung des Göttervaters gedacht ist.

Ein stärkerer Gegensatz als der dieses einfach durchgeistigten Antlitzes zu den üblichen pompös-hellenistischen Darstellungen des Olympiers läßt sich in der antiken Ikonographie nicht finden. • Es wird deutlich, daß der semitische Steinmetz (und andere Götterbilder Cäsareas scheinen diese Hypothese zu bestätigen) hier den eigenen Gottesbegriff bewußt zum Ausdruck gebracht hat.

Der große Tempel von Cäsarea wurde von Herodes dem Großen begonnen und wahrscheinlich unter dem Landpfleger Festus beendet. Für die Entstehung unserer Skulptur besteht ein Spielraum von etwa 20 vor bis 70 nach Christi Geburt. Es ergeben sich damit zwei; DeU-tungsmöglichkeiten für das Phänomen des Erscheinens einer Christusdarstellung an einem römischen Tempel der Zeitenwende: Wir können annehmen, daß im Palästina jener Tage, in dem die Messiaserwartung stark war, im Volke ein Erscheinungstypus des Menschensohnes vorgebildet war, daß dieser Typus von einem in dieser Erwartung lebenden Künstler bewußt verwandt wurde, um selbst im Schmuck des Olympiertempels zum Ausdruck zu bringen, daß bald der Götterkönig dem Erlöser werde weichen müssen. — Oder aber, man könnte vermuten, daß der Meister des Hauptes von Cäsarea ein Christ war, der ein tatsächliches Pörtät Jesu in die Dekoration des Tempels eingefügt hat.

Vorläufig wird man sich mit der Feststellung der Tatsache begnügen müssen, die in sich selbst wichtig genug erscheint: Es liegt aus Palästina eine Skulptur vor, die mindestens dreihundert Jahre älter ist als alle bekannten Darstellungen Jesu, die dem Typus des bisher ältesten Christusbildes aber völlig entspricht. Darüber hinaus: Das Haupt von Cäsarea war für so eine demonstrative Anbringung gedacht, daß seine Gestaltung, die allen hellenistischen Vorbildern widerspricht, nicht zufällig gewesen sein kann.

Mehr als ein Hinweis kann vorläufig nicht gegeben werden. Die wissenschaftliche Auswertung des Hauptes von Cäsarea muß der Forschung überlassen bleiben, .

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