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Die ganze Landschaft ist ein einziges Museum

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Wenn das Wort Kulturlandschaft irgendwo paßt, dann an der Loire. 300 Kilometer naturbelassener Flußlauf, gespickt mit über 300 Schlössern und Rurgen, rund ein Drittel davon zugänglich -das gibt es in Europa nur einmal. Landschaftliche Schönheit und Architektur werden kaum sonst irgendwo so sehr eins, und selbst ein Maler, der sich völlig auf die Landschaft konzentrierte, wie William Turner, konnte an der 1 joire nicht umhin, sich auch für die Bauten zu interessieren. Heute werden die Loire-Schlösser nur noch für die Touristen gemalt, sonst aber fotografiert. Das Ergebnis der jüngsten fotografischen Erkundung heißt „Schlösser der Loire Im Zauber des Lichts" und erschien bei Du-mont. Der Fotograf heißt Florian Monheim, die 'Texte schrieb Wilfried Hansmann.

Ein erfreuliches Buch. Gut zur Einstimmung auf einen Besuch der hou re-Schlösser, mindestens ebenso gut, um die vielen Einzelheiten, von denen man bei einer Führung nur wältig wahrnimmt und fast nichts in Erinnerung behält, hinterher zu studieren und Zusammenhänge zu erfassen.

Florian Monheims Bilder mit ihren schönen Licht- und Wolkeneffekten laden dazu ein, sich in die Landschaft der Loire zu versetzen, aber auch in die perfekt fotografierten Innenräume, in denen freilich fast nichts mehr so ist, wie es in der großen Zeit dieser Schlösser war. Lediglich im Schloß Montgeoffroy besteht noch die originale Einrichtung, und die stammt auch erst von anno 1775. Doch können nur wenige Räume besichtigt werden, da die Nachkommen des Rauherrn noch hier wohnen.

Chambord ist wohl das spektakulärste dieser Schlösser, wie ein steingewordenes Märchen erhebt es sich auf freiem Feld, während das mitten in der Stadt gelegene, äußerlich viel weniger auffällige Blois eines der geschichtsträchtigsten Schlösser Frankreichs ist. Beide Schlösser haben Meisterwerke der Treppenbaukunst aufzuweisen, Chambord, an dessen ersten Entwürfen möglicherweise Leonardo mitgewirkt hat, die freistehende, zentrale 'Treppe im Donjon, Blois einen kunstvoll-filigranen Treppenturm.

Nach der französischen Revolution wußten die neuen Herren die Loire-Schlösser, und Schlösser überhaupt, nicht zu schätzen: Auch Chambord wäre beinahe abgerissen worden und wurde viele Jahrzehnte lang als Kaserne benutzt und dementsprechend devastiert.

Hansmann hängt, wo es sich zwanglos ergibt, die Geschichte der Schlösser gern an den Schicksalen ihrer Rewohner auf; und die waren zum 'Teil dramatisch, waren mitunter ein Stakkato von Glück und Unglück. Schloß Chenonceau ist ein gutes Beispiel dafür. Auf Befehl des Königs, gegen den der Besitzer die Waffen erhoben hatte, wurde es geschleift, neu errichtet, nach zweimaligem Wechsel der Eigentümer wegen Verschuldung in zwei Generationen wurde Chenonceau für längere Zeit jener Wohnsitz, um den Königinnen und Mätressen stritten und auf den alle scharf waren. Erst war es Wohnsitz der königlichen Mätresse Diana von Poitiers, die aber nach dem 'Tod Heinrichs II. (1559) von dessen Witwe Katharina von Me-dici hinausgeworfen wurde, worauf Katharina auf der Brücke über den Cher die berühmte zweigeschossige Galerie errichten ließ. Wo Diana angeblich bei Sonnenaufgang nackt in den Fluß gesprungen war, veranstaltete nun die Witwe für ihre Gäste Seeschlachten und Feuerwerke, eine Generation später verwandelte es die nächste Königin, Louise, nach der Ermordung Heinrichs III. in einen Ort des Schmerzes und der 'Trauer. Fast wäre nun wieder eine Mätresse, näm lieh Gabrielle d'Estrees, an der Reihe gewesen, die aber starb kurz vor dem Ziel, die trauernde Königinmutter hinauszuekeln. Immerhin konnte der König erreichen, daß das Renaissanceschloß, offenbar damals einer der begehrtesten Wohnsitze Frankreichs, auf sein und Gabrielles Kind überging.

Einige von vielen Schicksalen, die sich an die Loire-Schlösser knüpfen, und Chenonceau ist ja bei weitem nicht das berühmteste und prachtvollste, sondern eher ein kleines. Ein 'Trost für den Reisenden, der diese Fülle von Ambientes auf sich wirken läßt: Die Begehrlichkeit der Konkur renten und potentiellen Erben hat so manchem Besitzer dieser Schlösser den Besitz vergällt.

SCHLOSSER DIU LOIRE

Von Wilfried Hansmann (Text) und Florian Monheim (Fotografie) Verlag DuMant, Köln 1997 160 Seiten, 90 Färb- und 40 schwarz-weiße Bilder, öS 364,-

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