Kaninchen - © Foto: Warner

Flüchtling sein heißt, oft Abschied nehmen

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Thomas Taborsky über den Film "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl".

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Thomas Taborsky über den Film "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl".

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Die mögliche Renaissance ihrer autobiografisch inspirierten Romantrilogie durfte Judith Kerr nicht mehr miterleben: Vergangenen Mai starb sie 95-jährig in London, jener Stadt, in die sie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus Berlin über Umwege emigriert war. In den frühen 1970ern veröffentlicht, eiferte das erste Buch, „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, in seiner Verbreitung dem „Tagebuch der Anne Frank“ nach. Einer ganzen Generation führte es als Schullektüre Antisemitismus und Vertreibung vor Augen, kam 1978 ins Fernsehen, im gleichen Jahr wie die bahnbrechende Miniserie „Holocaust“. Seine Neuverfilmung durch Caroline Link („Nirgendwo in Afrika“) trifft heute auf ein ganz anderes Bewusstsein über die Vernichtung der Juden als einst, sieht sich nicht dem Totschweigen, sondern neuen Thematiken der Erinnerungskultur gegenüber. Wie die Vorlage richtet sie sich eher ans Schulalter als an Erwachsene. Dabei versucht sie, eine zarte Brücke zu Völkermord und Vertreibung der Jetztzeit zu schlagen.

„Als Flüchtling muss man oft Abschied nehmen“, weiß die 10-jährige Anna gegen Ende ihrer Odyssee. Rechtzeitig entzieht sich die Familie Kemper der politischen und antisemitischen Verfolgung. Seinem Beruf nachgehen kann Vater Arthur, daheim ein bekannter Autor und Nazikritiker, weder in der Schweiz noch in Frankreich. Die Unterkünfte werden immer bescheidener, die Last der Situation tritt zutage. Die Heimat zu verlieren, fremd zu sein, nicht rein zu passen, macht der Film anschaulich, greift dabei jedoch auf eine nicht mehr zeitgemäße Form der Inszenierung zurück. Seine Akzente setzt er mit süßlicher Schauspielführung, unangenehm auffälliger Beleuchtung und voller Orchesterbegleitung; sogar die Harfe darf in besonders emotionaler Stunde nicht fehlen. Trotz aller Altbackenheit bleibt „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ stets seine Geschichte. Zwar entfaltet sie hier nicht die Wirkung, die sie haben könnte. Achtlos vorbeigehen lässt sich an dieser Erzählung von Flucht und Exil aber keinesfalls.

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