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Der Nestroy und sein Kind

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DAS TAUSENDJÄHRIGE KIND. Kritische Versuche eines heimlichen Patrioten zur Beantwortung der Frare nach Österreich. Von Hans Weltel. Mit Zeichnungen von Paul Flora. Verla Kremayr und Scheriau, Wien, 1B85. 81 Seiten. Preis 8 72.—.

In diesem Buch, einer Sammlung von Aufsätzen zum Thema Österreich des bekannten Wiener Literaten Hans Weigel aus den letzten 20 Jahren, 1st unter III ein 30 Seiten umfassender Essay zum 150. Geburtstag Nestroys am 7. Dezember 1951 aus der Berliner Zeitschrift „Der Monat”. Er ist bestimmt nicht zufällig der umfangreichste der oft nur zwei bis drei Seiten lang vorbei- fiitzenden Einfälle und Ausfälle (an denen häufig auch Paul Floras trok- k einer Zeichenstifthumor beteiligt ist), denn hier treffen einander verwandte Seelen, Wortschöpfer und Wortequilibristen, Satiriker und Zyniker, heimliche Patrioten und ebensolche Poeten!

„Ich glaube dran, daß Wien, so wie es ist, ganz in Ordnung ist, auch dort und .gerade dort, wo es nicht in Ordnung ist.” Das könnte von Nestroy sein, stammt aber von Weigel. „Die edelste Nation unter allen Nationen ist die Resignation.” Das könnte von Weigel sein, aber es ist von Nestroy…

Ein Gustostück auch Weigels „Kleine Rede über das ,Wiener Mädel” mit den feinen Beobachtungen vom sinnvollen Aussterben der Soubrette und der vielsagenden

Wandlung der Vornamen Mizzi, Finni, Poldd, Anni und Kathi zu Inge, Helga, Ilse und Gerda.

Von Qualtingers „Herrn Karl” sagt Weigel (zugespitzter geht es wohl nicht mehr): „Ein Charakter enthüllt sich als negativ, indem er sich als positiv dargestellt”, und nennt ilhn beileibe keinen Anticharakter, sondern einen „A-Charakter, eine Übersetzung des Nichts ins Wienerische”.

Julius Raab hat Weigel früh als Großen und als Original erkannt: „Er ist einsilbig wie sein Name” und „Er duldet Widerspruch durchaus, aber er hört nicht auf ihn”.

Natürlich wird im Munde des Kabarettisten das Vorwort zum Nachwort und das Nachwort zum Vorwort, beide übrigens höchst amüsant und tiefernst zugleich.

Und weil unter den „heimlichen und unbewußten Austriazisten” auch die „Furche”-Männer Willi Lorenz und Kurt Skalnik fungieren (gar so heimlich sind sie es gar nicht), fehlt nichts zum Happy-Ending, als dieses österreichische „ins Bewußte zu heben”, das „1000jährige Kind” zu hätsche’ in, wie es der Dingsda nennt, der Nestroy, ach nein, es ist ja schon wieder von Weisrel.

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