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Die Streiche des Grafen Ory

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Die letzte Premiere der Volksoper war zwar keine „österreichische Erstaufführung“, wie der Programmzettel meldete, wohl aber eine Wiederentdeckung. Ein Jahr später nämlich, nachdem an der Pariser Oper die Uraufführung von Rossinis vorletztem Werk stattfand, kam „Der Graf Ory“ auch nach Wien, und zwar zunächst 1828 ans Kärntnertor-Theater und 1833 in die Josefstadt. Dann freilich gab es eine lange Pause, an deutschsprachigen Bühnen bis 1933, darnach verschwand die Oper abermals und tauchte, in neuer deutscher Fassung von Karlheinz Gutheim, 1957 in Berlin wieder auf.

Für beides — für ihr Verschwinden und ihre Rehabilitierung — gibt es gute Gründe. Der Text nach Eugene Scribe — nun ja, ganz komisch, wenn auch nicht gerade jenem Genre zugehörig, das, wie Thomas Mann sagen würde, „höhere Heiterkeit“ verbreitet. Und auch nicht immer sehr geschmackvoll. Die Musik: liebenswürdig, beweglich und elegant wie alles — oder fast alles — aus Rossinis Feder. An keiner Stelle umwerfend, aber auch kaum länger als fünf Minuten langweilig.

Der Graf Ory steht zurecht im Titel: Er ist der eigentliche, durchaus dominierende Held des Stückes und der Oper. Ein Casanova des 13. Jahrhunderts, der, als Eremit verkleidet, die männerlosen Frauen der Ritter und ihrer Dienstmannen (die sich auf einem Kreuzzug befinden) zu trösten sucht. Besonders hat er es auf Marianne, die Frau des Grafen von Formoutiers, abgesehen, die aber auch noch von dem Pagen Isolier angeschwärmt wird. Als der Graf Ory, von seinem Erzieher entlarvt, nicht ans Ziel kommt und die Rückkehr der Kreuzfahrer gemeldet wird, verkleidet er sich und seine Kumpane als Pilgerinnen und gelangt so ins Schloß, wo er aber, statt von der Gräfin, von seinem Pagen Isolier — in den Kleidern der Ersehnten — empfangen wird. Sehr hübsch die Schlußpointe: Als Ory auch hier keinen Erfolg hat, beschließt er, mit seinen Leuten nach Burgund zu gehsn: Dort sind die Männer noch im Krieg.

Das Beste an der Aufführung in der Volksoper waren die größtenteils jungen Kräfte, die für die Hauptpartien eingesetzt waren: der hohe, falsettierende, technisch perfekte Tenor John von Kesterens, die Spanierin Isabel Garcisanz, welche die schwierigen Koloraturen fast ohne Tadel bewältigte und durch hoheitsvolles Spiel beeindruckte, der sympathische, in allen Lagen gleichermaßen wohllautende Mezzosopran der schlanken Perserin Pari Samar als Page und der freundliche, ein wenig ungefüge Baß Georg Schnapkas rls Erzieher des Grafen. Die Bühnenbilder und Kostüme von Ottowerner Meyer, der als Assistent von Gustav Gründgens begonnen hat, waren zwar nicht immer ganz zeit- und milieuecht (Touraine, 1250!), dafür aber bunt, unterhaltsam und mit jenem Anflug von Parodie, der dem Sujet entspricht. Der aus Essen kommende Regisseur Günter Roth tat eher ein wenig zuviel des Guten an Gags und rotierender Bewegung. Argeo Quadri am Pult war — wie immer — verläßlich und elastisch. Im ganzen: ein unterhaltsamer Abend.

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