Es ist die Geschichte eines Bauernbuben, der heranwächst. Zwischen Hof und Acker, dem tyrannischen Vater und der liebenden Mutter. Der mit den gleichaltrigen Kindern durch den Wald und die Felder streift, der ernsthaft kränkelt und mit Kraftnahrung und der begeisterten Lektüre einer Militärzeitschrift seine vermeintlichen Schwächen zu kompensieren versucht. Sein kraftstrotzender Vater lässt keinen Zweifel daran, dass er sich einen anderen Sohn gewünscht hätte, einen gesunden, einen starken, eben einen richtigen Erben.
Wer hat diese (zugegebenermaßen nicht ganz neue) Geschichte geschrieben? Marie von Ebner-Eschenbach, Peter Rosegger? Nein, der kurze Roman stammt vom kroatischen Autor Damir Karakaš, Jahrgang 1967. Kann man, darf man heute noch solche Geschichten erzählen? Ja, man kann und darf. Zumal, wenn man es so gut macht wie Damir Karakaš.
Der Text (in der Übertragung von Klaus Detlef Olof) ist auf wunderbare Weise aus der Zeit gefallen. Die dreiunddreißig Prosaminiaturen erinnern nicht nur der Titel wegen („Hier wohnt der Bär“, „Die Jagd“ oder „Wohin das Wasser geht“) am ehesten noch an Robert Schumanns Klavierzyklus „Kinderszenen“. „Albumblätter“ wäre auch eine passende Charakteristik gewesen. Dabei ist Damir Karakaš niemals harmlos: Im kroatischen Hinterland fehlt es an allem. Zagreb ist weit und die Adria ist nicht einmal als Sehnsuchtsort präsent. Die Leute kämpfen ums Überleben, das politische Erbe der Kriegs- und Vorkriegszeit wird, so gut es geht, verdrängt. Die Menschen hier, so sind sie jedenfalls überzeugt, haben gar keine Zeit für Erinnerung. Der Ausflug der Schüler in das Konzentrationslager Jasenovac (ohne den Namen zu nennen) gerät dann auch so gespenstisch, weil in diesem kurzen Text die Ratlosigkeit der Jugendlichen angesichts der Geschichte eindringlich vorgeführt wird.
Damir Karakaš hat nicht nur einen Roman über die 1970er Jahre in Titos Jugoslawien geschrieben. Vielmehr wollte er (off enbar autobiographisch grundiert) Bilder, Szenen, Motive aneinanderreihen, im Vertrauen darauf, dass sich dem Leser aus ihrer Abfolge eine Epoche poetisch erschließt. Mit „Erinnerung an den Wald“ ist ihm das vorzüglich gelungen.