Werbung
Werbung
Werbung

Die österreichische Sprache unterscheidet sich von der deutschen in mehr als 10.000 Wörtern.

Beim EU-Eintritt Österreichs vor zehn Jahren schafften es gerade einmal 23 Begriffe in den Verfassungsrang: Niemand würde die Österreicher zwingen können, "Roastbeef" statt "Beiried" zu sagen oder "Pflaumenmus" statt "Powidl". Heute quillt die EU-Datenbank in Brüssel bereits mit 4000 österreichischen Ausdrücken über. Beamte können bei Sprachproblemen mit dem österreichischen Deutsch auf sie zurückgreifen. Dennoch kommt es immer wieder zu Missverständnissen. So fragte ein Finne die österreichische Austriazismen-Expertin des Übersetzerdienstes, ob "Schwedenbomben" Abfangjäger seien.

Robert Sedlaczek, Autor des Buches "Das österreichische Deutsch. Wie wir uns von unserem großen Nachbarn unterscheiden", spürt dem feinen Unterschied in der gemeinsamen Sprache mit Witz, Geist und großer Sachkenntnis nach. Als "Hausbuch" zum Schmökern bietet er sein Werk an. Dabei rüttelt er an den Grundfesten der Duden-Autorität. Dort werden österreichische Besonderheiten stets als umgangssprachliche Abweichungen klassifiziert. Sedlaczek hingegen besteht darauf, dass Deutsch eine plurizentrische Sprache ist. Niemand kann sich als Nabel der deutschsprachigen Völker sehen. Die "deutsche Wohlredenheit", die der aus der Untersteiermark stammende slowenische Sprachforscher Johann Siegmund Popowitsch schon Mitte des 18. Jahrhunderts untersuchte, hat viele Formen - und wir Österreicher brauchen keineswegs "schriftdeutschln", um Anton Kuh zu zitieren. Sedlaczek stellt österreichische Ausdrücke, versehen mit unserer Staatsflagge, neben, nicht unter bundesdeutsche. Ist der österreichische Geisterfahrer nicht unheimlicher als der nüchterne deutsche Falschfahrer? Klingt Maroni nicht verlockender als Esskastanie? Und Masche(rl) nicht erotischer als Fliege oder Schleife? Ganz zu schweigen vom Lurch. Der Duden kennt die am Boden zusammengeballte Staubschicht nicht. Gibt es keinen Staub unter deutschen Betten? Mut also zum Österreichischen, möchte man den Tiroler Wirten zurufen, wenn sie unseren deutschen Gästen nicht einmal mehr eine Topfentorte zumuten wollen und sich statt dessen mit einer Käsesahnetorte anbiedern.

Die Besonderheiten des Österreichischen belaufen sich laut Sedlaczek auf weit über 10.000 Wörter. Daher beziehen sich 90 % der Eintragungen in seinem Buch auf den Wortschatz. Unterschiede in der Grammatik kommen aber auch nicht zu kurz. Wir erzählen im Perfekt, sagen also nicht: "Er pisste an die Hauswand", sondern "er hat gegen die Wand geschifft/gebrunzt/geseicht". (Pardon!) Der Österreicher ist in der Standardsprache mit dem Konjunktiv viel sparsamer als der Deutsche. Wenn er ihn verwendet, dann als Modus der Irrealität und Potenzialität: "Man sagt, dass der Politiker N. N. ein ehrlicher Mensch wäre." (Subtiler Zweifel schwingt da mit.) In den Mundarten blüht dagegen der Konjunktiv. Beweis gefällig? "Können": i kennt, i kenntat, i kannt, i kanntat, i kunnt, i kunntat, i tat kenna. Sieben Formen nennt der Autor, und hat dabei das Alemannische vergessen: i künnt, i künntet. Jeder Österreicher hat also die Chance, zweisprachig zu sein. Nur: Da hapert es. So beliebt der weiche Klang des Österreichischen im harten Knacklaut-Deutschland auch sein mag, so wenig unbefangen öffnen viele Österreicher vor "Hochdeutsch" sprechenden Deutschen den Mund, weil ihnen die österreichische Standardsprache nicht zur Verfügung steht. Wirklich daheim sind sie nur auf der Mundartebene. Deutsch ist nicht "feiner" als Österreichisch, nur können sollte man beides.

Das österreichische Deutsch

Ein illustriertes Handbuch

Von Robert Sedlaczek

Ueberreuter Verlag, Wien 2004

496 Seiten, geb., e 35,90

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung