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Digital In Arbeit

Sechs Buchstaben, 900 Seiten

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Bis 1980 soll das neue, große Gesamtwörterbuch der deutschen Sprache fertiggestellt sein. 2700 Seiten in sechs Bänden, 500.000 Stich Wörter, eine Million Angaben über Aussprache, Herkunft, Grammatik, Stilschichten und Fachsprachen, zwei Millionen Stilbeispiele und Zitate, allerdings ausschließlich der Literatur dieses Jahrhunderts entnommen. Zeitungen und Zeitschriften, Dichtungen, wissenschaftlichen Schriften, aber keinem der Klassiker - der bei großen Wörterbüchern früher übliche Bezugszeitraum „Von Luther bis zur Gegenwart” fehlt beim „Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache”, von dem nunmehr zwei Bände vorliegen. Auf ihren insgesamt 900 Seiten fanden die ersten sechs Buchstaben des Alphabets, A bis F, Platz. Der Super-Duden ist eine der aufwendigen Buchproduktionen, seine redaktionelle Herstellung beschäftigt einen ganzen Stab von Germanisten über Jahre hinaus.

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Bis 1980 soll das neue, große Gesamtwörterbuch der deutschen Sprache fertiggestellt sein. 2700 Seiten in sechs Bänden, 500.000 Stich Wörter, eine Million Angaben über Aussprache, Herkunft, Grammatik, Stilschichten und Fachsprachen, zwei Millionen Stilbeispiele und Zitate, allerdings ausschließlich der Literatur dieses Jahrhunderts entnommen. Zeitungen und Zeitschriften, Dichtungen, wissenschaftlichen Schriften, aber keinem der Klassiker - der bei großen Wörterbüchern früher übliche Bezugszeitraum „Von Luther bis zur Gegenwart” fehlt beim „Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache”, von dem nunmehr zwei Bände vorliegen. Auf ihren insgesamt 900 Seiten fanden die ersten sechs Buchstaben des Alphabets, A bis F, Platz. Der Super-Duden ist eine der aufwendigen Buchproduktionen, seine redaktionelle Herstellung beschäftigt einen ganzen Stab von Germanisten über Jahre hinaus.

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Der einleitende Abschnitt (17 Seiten) im ersten Band, „Anlage und Artikelaufbau”, erläutert das Vorhaben, „den Wortschatz der Gegenwartssprache vollständig zu erfassen”, mit Aus- klammerung der Mundarten. „Veraltetes Wortgut wurde nur in beschränktem Maße aufgenommen”, daher nur moderne literarische Belege. „Bestimmend für die Aufnahme von Wörtern aus Fach- und Sondersprachen war ihre Häufigkeit in der gesprochenen und geschriebenen Sprache und ihr Mitteilungswert.” Auch „Abkürzungen und Kurzwörter wurden aufgenommen, wenn sie wortartig gebraucht werden (Akku, Lkw), Namen jeder Art jedoch, von Persönlichkeiten bis zu Städten, Ländern und Völkern, sind, wie gewöhnlich in Wörterbüchern, nur enthalten, wenn sie auch als Gattungsbezeichnung „oder wortartig gebraucht werden”: Casanova,

Schwabe (Küchenschabe) oder Camembert.

Das führt natürlich, infolge konsequenter Weglassung der Grundbedeutung, zu drollgen Definitionen. „Engländer: 1. verstellbarer Schraubenschlüssel, 2. (österr.) süßes Gebäcksstück mit Mandeln”. Es gibt den Amerikadeutschen (in Amerika geborener oder lebender Deutscher) und den Deutschamerikaner (Amerikaner deutscher Abstammung), aber was ist der hier erwähnte „Amerikaner”? Laut Wörterbuch nur: „rundes Gebäcksstück aus Weizenmehl mit Zuk- kerguß.”

Der erste Band reicht von A bis Ci, der zweite von CI bis F, aus den bisher behandelten sechs Buchstaben kann man sich bereits eine gute Vorstellung davon machen, wie dieses sechsbändige Wörterbuch der deutschen Sprache beschaffen sein und was es bieten wird. Regionale Eigenheiten sind weitgehend berücksichtigt - übrigens eine alte Duden-Tradition. Da schon Konrad Duden neben der (nicht vollständig durchgesetzten) Vereinheitlichung der Schreibweise sowohl Druckern als auch Schreibern möglichst genau angeben wollte, wo ein Wort wie geschrieben wird, gab es im „Duden” seit jeher bei orthographischen oder Bedeutungsvarianten Vermerke wie „(österr.)” „(Bayern)” usw.

Es finden sich Angaben, ob ein Wort hoch- oder umgangssprachig oder derb sei, jedoch keine weiteren Werturteile: Ob der vielleicht bloß modisch überzogene Gebrauch eines Wortes oder einer Redewendung sinnvoll oder eigentlich sinnwidrig ist, wird nicht registriert. Diesbezüglich ist das Werk liberal. Es, gibt den Nachschlagenden die Rechtschreibung und den Sinn eines Ausdruckes an; ob er ratsam ist oder nicht, muß der Benüt- zer selbst entscheiden. Logischerweise ist auch die ganze Fremdwortinvasion der letzten Dezennien einbezogen, zumal die Lawine angloamerika- nischer Vokabeln und Floskeln. Wer sich ihrer bedienen will, kann nun wenigstens nachschauen, wie man sie richtig schreibt. ,

Eine Musterkollektion des zeitüblichen Fremdwortkultes bietet mehr denn je der Buchstabe C, da es ja kaum ein deutsches Wort gibt, das mit ihm anfängt; er las sich immer schon wie der Abschnitt eines Fremdwörterbuches. Nun umfaßt er 22 zweispaltige Seiten, beginnt zwar mit (der italienischen) „Cabaletta” (kleinen Arie) und endet mit „cyrillisch”, dazwischen aber muß sich die deutsche Sprache mit so manchem „Cut” (Schnitt, Riß) als hart im Nehmen erweisen, und in der Regel nützt ihr, wie dem Faustkämpfer, das „Cover-up” (volle Körperdeckung) nicht viel. Nützlich hingegen das hier gebotene, so gut wie vollständige Verzeichnis transatlantischer Kraftausdrücke, auch darum, weil eine beigefügte Übersetzung die Gedankenlosigkeit des Gebrauchs solcher Klischees vermindert und manchen am Ende sogar anregen könnte, es einmal mit der oft genug durchaus brauchbaren deutschen Wortbildung zu versuchen.

Da auch in einem Wörterbuch solchen Umfanges der Fassungsraum nicht unbegrenzt ist, mußten manche Informationen, im Vergleich mit Spezialwörterbüchern aus demselben Haus, gekürzt werden. So enthält das Etymologische Wörterbuch in der Regel umfangreichere Informationen. Wie überhaupt der neue Duden ältere Nachschlagewerke seines Namens und vergleichbarer Größe weniger „ersetzt” als „ergänzt” (das hat er ja mit vielen Lexika gemeinsam). Auch Wörterbücher dokumentieren die Veränderung einer Sprache - Du- den-Ausgaben aus der NS-Zeit haben heute schon Dokumentationswert. Und Welten trennen sogar gleichzeitig erschienene Duden-Ausgaben, denn da Deutschland zweigeteilt ist, das Bibliographische Institut früher in Leipzig war und jetzt in Mannheim ist, gibt es seit drei Jahrzehnten zwei Firmen dieses gut eingeführten Namens und demgemäß auch zwei Duden-Ausga- ben. (So wie es in der DDR und in der BRD je einen Reclam-Verlag gibt.) Das „Warenzeichen” leitet sich ab vom Namen des Geheimrats Doktor Konrad Duden (1829-1911), im 19. Jahrhundert Vorkämpfer für eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der deutschen Orthographie, lange Zeit bekämpft und geschmäht, der mit den Beschlüssen der berühmten „Orthographischen Konferenz” vom Juni 1901 einen durchschlagenden Erfolg erzielte. Auf Wunsch der Buchdruk- kervereine und Einladung des Bibliographischen Instituts verfaßte Konrad Duden seine „Rechtschreibung der Buchdruckereien deutscher Sprache” (daher lange der Spitzname „Buchdrucker-Duden”), die 1903 erschien, ein relativ schmales Buch, später von Nachfolgern erweitert und „Der Große Duden” genannt, allmählich zu einem zeitweise zehnbändigen Kompendium anwachsend, als Nachschlagwerk für Grammatik, Stil, Fremdwörter, Aussprache, Etymologie und so weiter.

DUDEN - DAS GROSSE WÖRTER- BUCH DER DEUTSCHEN SPRACHE, Band 1 und 2, Bibliographisches Institut, Mannheim, je 464 Seiten, je öS 369,-.

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