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Die Sprache der „Schafinseln"

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Auf den Schafinseln Föroyar, eigentlich richtig Ferninseln, löste sich die Sprachentwicklung allmählich aus dem Festland- norrönen. Durch Isolation, dänischen Einfluß und unter Mangel schriftlicher Literatur der heute noch lebende Reigentanz, der die Sprache erhielt, war nur mündlich entwickelten sich eine Reihe Mundarten. Es sah ganz so aus, daß die norröne Sprache in Föroyar wie in Grönland, auf den Shetland-, Orkney- und Hebrideninseln erlöschen sollte.

Als viele schon daran dachten, das Dänische als Muttersprache anzunehmen, erfüllte aber ein anderer Gedanke mehrere Foringer. Johan Henrik Weyhe schrieb zwischen 1725 und 1728 die erste Förische Sprachlehre, welche aber beim Universitätsbrand in Kopenhagen ein Raub der Flammen wurde. Inzwischen wurden viele Reigentanzlieder in verschiedenen Mundarten aufgezeichnet. Jäkup N o 1 s ö e war es der Bruder des Dichters Nölsoyar Pall, der 100 Jahre später, um 1825, wieder eine Föroyische Sprachlehre verfaßte. Doch konnten nach seinem Grundsatz „Schreibe, wie du’sprichst!“ die Dialekte nicht unter einen Hut gebracht werden, obwohl er viele Wörter und Fügungen aus den alten Mundarten und dem Altnorrönen aufnahm.

Die Stiftung der neuförischen Schriftsprache war einem Abkömmling österreichischer Ahnen Vorbehalten, dessen Ahne Georg S m e n d e i n Schwendenwein? am 11. September 1642 von Ferdinand III. von Oesterreich geadelt worden war. Diese Südschlesier behielten das Adelsprädikat „von Hammershaimb“ später als bürgerlichen Namen bei. Sie wanderten über Hamburg nach Kopenhagen und Törshavn Föroyar aus.

Venceslaus Ulricus Hammershaimb wurde am 25. März 1819 in Steig geboren, wo heute sein Denkmal steht. Von verwandten Forschern nach des Vaters Tod erzogen, studierte er später in Kopenhagen Theologie, zugleich aber auch Sprachwissenschaft; er war dauernd mit dem großen Sprachforscher Rafn in freundschaftlicher Verbindung. Hammershaimbs erste Arbeit war eine kleine Sagensammlung, der bald Zauberformeln u. dgl. m. folgten. In den Jahren 1846 47 legte er mit N. M. Petersen den Grund für eine ethymologische Rechtschreibung, in der alle Mundarten aufzugehen vermochten. Bald gab er Mitteilungen von einer Reise nach Föroyar, Oluvu kvaedi ein Reigentanzlied, Volkssagen, Sprichwörter, Redewendungen, Brauchtum und Spiele, Kinderreime, Rätsel und Reigentanzlieder aus Föroyar heraus. Begeistert war die nordische wie deutsche Forschung von Sjurdar kvaedi, dem förischen Nibelungenlied.

Hammershaimb fand in den förischen Mundarten nicht nur Ueberbleibsel, sondern die neuförische Schriftsprache selbst, die aus ihnen hervorgegangen war. Er schaute tiefer als andere und erkannte den Kern der Sache. Eine Schriftsprache mußte rein in Lautlehre, Formlehre und Satzbau sein und konnte deshalb nur auf den reinen Mundarten erbaut werden. Die Zahl der Mundarten mußte durch eine lautentwicklungsgemäße Schreibung überwunden werden. Die Folge davon war, daß Hammershaimb die vielen Dialekte auf Grund der Mittelmundart Süd-Streymoy-Dialekt überwand und in eine Einheit führte.

Bald nach der dritten Föroyarreise Hammershaimbs erschien im Jahre 1854 — also vor genau 100 Jahren — in „Annaler for nord. Oldkyndighed“ seine dänisch verfaßte Förische Sprachlehre.

Im folgenden Jahr wurde Hammershaimb Pfarrer von Kvivik in Föroyar, 1862 Propst des kleinen Inselreiches. 1878 ließ er sich in Dänemark nieder. 1884 erschien die Föroyar- saga, die Geschichte der Besiedlung der Inseln, und 1886 bis 1891 Hammershaimbs Hauptwerk; „Förische Anthologie“ dänisch. Dieses förische Standardwerk enthält neben Skizzen aus dem förischen Volksleben wodurch er die förische Prosa schuf u. a. seine Förische Grammatik in zweiter Auflage, dazu einige Mundartbeispiele und eine kurze Uebersicht über die Dialekte. Der zweite Band, ausgearbeitet von Dr. J. Jakobsen, ist ein Glossar auf Grund Svabos Arbeit, also das erste förisch-dänische Wörterbuch. Diese Anthologie erschien 1950 in Neuauflage.

Durch Sprachlehre und Wörterbuch war der Gedanke von 1854 vollständig verwirklicht worden. Die neue Schriftsprache wurde von den Foringern mit Begeisterung aufgenommen und von allen Norröngesinnten aufs wärmste begrüßt. Als Hammershaimb 1893 zum letztenmal in seinem geliebten Föroyar weilte, wurde er geehrt wie der Vater und Held, der sein Leben für sein Volk gegeben. Auch an seinem 90. Geburtstag bereiteten ihm Mitglieder des Föringer- vereins in Kopenhagen große Freude.

Am 8. April 1909 schloß Hammershaimb seine Augen. Inzwischen erblühte eine reiche förische Literatur, und Hammershaimbs Ehre wird leben, solange es ein förisches Volk gibt. Das kleine Volk, seit der Besiedlungszeit von 12.000 auf 5.000 gesunken und erst in letzter Zeit auf 35.000 angewachsen, hat sich selbst gefunden und ist richtig Volk geworden.

Die erste förische Sprachlehre erschien erstmalig förisch im Jahre 1908 durch Propst J. Dahl, nachher in Zusammenfassung durch M. Jacobsen mehrere Auflagen und 1940 deutsch durch mich. Weiters ist meine deutsche Grammatik auf förisch in Törshavn in Druck. In den Jahren 192728 gaben M. Jacobsen und Dr. Chr. Matras das erste förisch-dänische Wörterbuch heraus und zum 100-Jahr-Jubiläum soll mein Förisches Wörterbuch Förisch-Deutsch und Deutsch- Förisch samt Sprachführer und Mundartforschung in Wien herausgegeben werden. Es handelt sich hierbei um das erste, fremd- sprachlich-förische Wörterbuch überhaupt, wodurch erstmalig das Förische der Welt und umgekehrt erschlossen werden soll. Meine Arbeiten sind aber auch für den Deutschunterricht in förischen Schulen von großer Bedeutung Realgymnasium, vier Mittelschulen, einzelne Volksschulen, da die Grammatik beider Sprachen weitgehend übereinstimmt, vor allem aber für die Wissenschaft, wie viele Anfragen erweisen.

Eine Reihe skandinavischer Forscher, besonders Norweger, haben sich für förische Sprachprobleme interessiert. Seit 1953 erscheint „Frodskaparrit“ Annales Societatis Scientiarum Faeroensis und seit über dreißig Jahren die förische Literaturzeitschrift „Vardin?.

Das förische Volk dankte in diesem Jahr von ganzem Herzen Ulrich Hammershaimb und seinem Stammland Oesterreich, zugleich einer norwegischen Urheimat, 100 Jahre nach dem eigentlichen Beginn der Volk- werdung. So leistete und leistet Oesterreich Dienst am friedlichen Aufbau der Welt durch Taten.

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