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Unzulässige Toleranz

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Uber die Tendenzen des neuen „österreichischen Wörterbuches", das nun schon in 35. Auflage erscheint, kann man verschiedener Meinung sein. Dem Grundsatz, „den österreichischen Spezialwort-schatz weitgehend zu erfassen", läßt sich zustimmen, wenn auch die Überfülle regionaler Eigenheiten für manches Empfinden etwas zu weit geht.

Nicht einverstanden erklären muß man sich mit dem Gebrauch gewisser Fremdwörter, deren Formen unrichtig wiedergegeben werden. Ein markantes Beispiel dafür ist das beim Schlagwort „Termin"

angeführte Verbum „terminisie-ren" (zeitlich festlegen, befristen) bzw. das Substantivum „Termini-sierung". Diese Formen hat vielleicht einmal ein Sportjournalist in falscher Analogie zu zivilisieren oder neutralisieren gebraucht. Immer mehr Menschen haben es ihm nachgesprochen bzw. nachgeschrieben - heute liest man diese unrichtige Ableitung mit ganz wenigen Ausnahmen in allen österreichischen Zeitungen, und Leute, die einmal Latein gelernt haben, folgen unbedenklich nach.

Dazu ist festzustellen: Die vom lateinischen Wort terminus (Grenze, Schranke, im besonderen zeitliche Begrenzung oder Fixierung) abgeleitete Verbalform kann nur terminieren lauten, so wie man von den Substantiven dominus oder animus die Verben dominieren und animieren (und nicht dominisieren oder animisieren) bildet.

In deutschen Zeitungen und Zeitschriften und auch im Funk hört man dem gegenüber die richtigen Formen: terminieren, Terminierung, was auch im Duden festgelegt ist. Und auch die früheren Auflagen

des österreichischen Wörterbuches kennen nur „terminieren". Es ist bedauerlich, daß man eine Wortbildung, die auf einer krassen Unkenntnis beruht, in ein Wörterbuch aufnimmt, das die Grundlage für die Schreibung nicht nur in Schulen und Ämtern sein will, sondern auch Radio- und Fernsehsprechern, Setzern, Korrektoren und Lektoren als Richtlinie dienen soll.

Die Früchte einer derart nicht zu rechtfertigenden Toleranz lassen sich bereits erkennen: Schon kann man im Funk von „psychiatrisie-ren" (statt psychiatrieren) und von Psychiatrisierung" (statt Psychia-trierung) sprechen hören, ebenso von „privilegisieren" (statt privile-gieren).

In ähnlich gelagerten Fällen be-

ginnt sich Adäquates anzubahnen. Bei dem vom Substantivum Prämie (Preis, Belohnung) korrekt gebildeten Verbum „prämiieren" bringt das österreichische Wörterbuch nur mehr die Form „prämieren", während der Duden noch beide Formen nebeneinanderstellt. In weiterer Konsequenz wird man dann wohl für variieren „varieren", für alliieren „allieren", für initiieren „initieren" sagen und schreiben dürfen.

Zu solchen Resultaten kann die Weitherzigkeit in sprachlichen Dingen führen. Nichts gegen Mundartliches oder selbst gegen Jargon. Aber gewisse Grenzen sind geboten, wie die vorgelegten Beispiele zeigen. Man kann nicht sprachliche Entgleisungen einzelner Schreiber oder Sprecher durch Aufnahme in maßgebende Wörterbücher legalisieren. Am Ende wird es noch dazu kommen, daß sich Sprachbewußte von Unkundigen korrigieren lassen müssen.

Der Autor ist emeritierter Universitätsprofessor für österreichische Literaturgeschichte in Salzburg.

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