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Priestley und Goetz

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„Musik bei Nacht“: dieses Stück von I. B. Priestley, deutsch bearbeitet von Hans Hinrich, Musik von Wolfgang Russ-Bovelino, spielt am Vorabend des zweiten Weltkrieges in London 1938. Der Gesellschaftskritiker Priestley nimmt hier eine führende englische Gesellschaftsschicht aufs Korn; sie besteht aus einem „großen alten Mann“, dem Ministerpräsidenten Charles Bendrex, der Züge Baldwins trägt; um ihn eine alte Dame, eine erfolgreiche Kokotte, ein erfolgreicher Industrieführer, ein 'trfölffeTeheJr $kandaljofthalJst,oein: Satonkonrmunisti einige enttäuschte, und enttäuschende Künstler, Frauen, Mädchen. Zwei Seelen hausen in der Brust aller dieser Personen: eine graue, bisweilen schäbige, mit Blutschuld und anderer Schuld der Welt beschmutzte egoistische Seele eines Ichs, das nur sich selbst kennen und durchsetzen will, und eine andere Seele, die in ihren Tiefenschichten, die hier durch ein Konzert, Musik bei Nacht, geweckt und angesprochen wird und die im Innersten kommuniziert mit den Tiefenschichten der Welt und des Nächsten. Am reinsten in dem großen alten Mann, der mitten aus dieser Fühlung heimgeholt wird in das andere Leben. In Aufzeigung dieser Tiefenschicht findet Priestley Töne des Dichters. Die Schwierigkeit der Regie (Hermann Kutscher in der losefstadt) besteht darin, auf dem knappen Raum von zweieinhalb Stunden die beiden Autoren (Priestley als Sozialkritiker und Poet) und zwölf Personen, die, jeweils sich teilend, vierundzwanzig Figuren ergeben, je nachdem, ob sie die Nachtseite oder Tagseite ihrer Gestalt sichtbar werden lassen, zu einem Zusammenspiel zu vereinigen, welches das Publikum nicht zu sehr verwirrt und ermüdet. Ein nicht leichtes Unterfangen. Am eindrucksvollsten wirken die Szenenausschnitte, in denen der Premierminister (Hans Jungbauer), der Salonkommunist Peter Horlett (Klaus Löwitsch), Lady Sybil (Sigrid Marquardt), Sir James Dirnie (Kurt Heintel) das Lied au? der Tiefe vernehmen und sich der „alten Zeit“ erinnern. Beklemmend, in einer kurzen Episode, ein Requiem auf das gefallene Wien von 1938, in der Begegnung des englischen Komponisten David Shiel (Peter Weihs) mit seinem verstorbenen Wiener Lehrer (Emil Feldmar). Das Publikum folgte etwas verwirrt der Einladung des Autors, sich zu erinnern: an so manches, was da geschehen war...

Curt Goetz und Valerie Martens gastieren im Akademietheater mit drei Einaktern unter dem Sammeltitel „Alte M ö b e 1“. Ein amüsanter Theaterabend, im ersten und besten der drei Stücke, „Round Table“, mehr: ein tiefernstes, hochbedeutsames Lehrstück über das Denken und Tun des Krieges und des Friedens, nicht nur „aktuell“ in unseren Tagen der allseitigen Vorbereitung des Völkermordes, sondern in sich bedeutsam, aufwühlend für wache Menschen. Meisterhaft Curt Goetz als holländischer Professor mit einem unaussprechlichen Namen, der vor seinem Gastgeber, dem englischen Premier Sir Anthony, Hohlheit und Lüge des internationalen politischen Betriebs enthüllt, wobei sich ihm unfreiwillig der sowjetische Botschafter, der Botschafter der Deutschen Bundesrepublik und der französische Ministerpräsident zur Verfügung stellen. — Der zweite Einakter, „Die B a n k“, ist eine zärtlich-liebenswürdige Erinnerung an die „gute, alte Zeit“, an das Berlin des „Kaisers“ und das Wien der Monarchie. Ein Dreipersonenstück, wobei neben dem Paar Martens-Goetz sich allerliebst Christi Hörbiger behauptet. — Das letzte Kurzspiel führt in eine Kleinbürgeridylle und Satire Alt-Berlins. Witz und Menschenfreundlichkeit, eine helle Güte, elh Humor, der nie verletzt, große Erfahrung mit dem Theater und ein sehr persönliches '!Köngn-adesTE£epaargs Goetz-Mengjgeigcl}diesesIpielchCTW.. messf

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