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Zeitreise zu Schubert

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Alles fließt und die Geschichte ist ein langer Fluß. Historiker und Erzähler sind in den letzten Jahren vermehrt auf diesem Gewässer unterwegs. Historische Romane haben Saison. Die Geschichte kann auf verschiedene Arten befahren werden und dabei spielt es nicht nur eine Rolle, ob Erste Klasse oder Unterdeck, sprich Trivialität, gebucht wird. Reisenden werden von ihren Reiseleitern, sprich Historikern und Literaten, flugs die jeweiligen Gewänder übergeworfen, oder sie „verfremden”, holen historische Figuren an Deck und lassen sie wie Menschen von nebenan agieren.

Ein Reiseziel des nächsten Jahres wird Franz Schubert heißen, denn der 200. Geburtstag schafft einen Sog. Michael Stegemann ist aber mehr als ein bloßer Schubert-Tourist, der rechtzeitig aufgebrochen ist und seinen Beisebericht vor dem Schubert-Jahr vorgelegt hat. Der Musikwissenschaftler, Komponist und Hörspielautor verlangt den Mitreisenden, sprich Leserinnen und Lesern, die sich ihm anschließen, einiges ab, denn er setzt sie hilflos und ohne auch nur die simpelste Ausrüstung, wie zum Beispiel Anmerkungen, im Jahr 1808 aus. Die Beise beginnt mit der amtlichen Ankündigung, daß die Aufnahme dreier Sängerknaben, darunter Franz Schubert, keinem Anstände unterliegt. Die Abenteuerreise, auf die Stegemann seine Leser schickt, ist ein fiktives Tagebuch. In diesem Strom schwimmen Personen, Freunde und Familienangehörige Schuberts ebenso beiläufig vorbei wie Kompositionen und Ereignisse, Napoleon oder der Erlkönig. Das Vorwort, ebenfalls Schubert in die Feder diktiert, schlägt ein anderes, luftiges Fortbewegungs-mittel vor: Träume: „A Schmarr'n: Solang er nicht meine Träume kennt, weiß er nix - rein gar nix von mir”, so Stegemann/Schubert.

Diese Textpassage vermittelt eine Vorstellung davon, wie der Autor versucht, mit der wienerisch saloppen Sprache Hintergrund zu malen. Kurze Verschnaufpausen im Strudel der Ereignisse, der Hoffnungen und Träume Schuberts erlauben lediglich die kurzen Erklärungen, die das biographische Gerüst andeuten und nach denen man gerne wie ein Ertrinkender nach dem Strohhalm greift. Wer diese Beise wagt, muß sich mühen, denn die Landschaft und das Leben werden an dem Bequemen nicht einfach vorbeigezogen. Phantasie und Kombinationsgabe sind vonnöten, doch dieser Schubert rührt das Herz. Ein junger Mann, der am Unverständnis seines Vaters zerbricht und den das Gefühl verfolgt, keinen Augenblick mit dem Komponieren aufhören zu können, weil ihm sonst vielleicht keine Zeit mehr bleibt, alles noch hinzuschreiben.

Ein umfangreiches Begister ermöglicht es jedoch, zunächst einmal nur die eine oder andere Etappe der Reise anzutreten. Sowie nach Liedern und anderen Kompositionen zu suchen und sie in den Lebenszusammenhang Schuberts einzuordnen.

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